Kelwitts Stern
keine Angst vor dem Jahr 2000 zu haben. Jemand hatte mit rotem Filzstift eingetragen, was nach dem Bericht der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle an installierter Sicherheitstechnik bekannt war. Im Prinzip handelte es sich um eine schwachbrüstige Alarmanlage, die bei Einbruch per Telefon im nächsten Polizeiposten Alarm auslöste.
»Geht am besten durch die Terrassentüren. Es wird zwar stillen Alarm geben, aber das dürfte kein Problem sein, oder?«
»Der wird nicht weit kommen.«
»Okay.« Hermann Hase sah noch einmal auf die Uhr. »In sieben Minuten sollte der Hubschrauber auftauchen. Zugriff beginnt, sobald er über dem Haus ist.«
Wiesel gab ein Knurren von sich. »Ich finde das immer noch übertrieben. Von mir aus könnten wir gleich losschlagen.«
»Ich sagte: Zugriff, sobald der Hubschrauber über dem Haus ist«, erwiderte Hase streng. »Wir werden kein Risiko eingehen.«
Sie standen im Flur, abmarschbereit. Was vor allem hieß, dass Thilo in einer Umhängetasche mehrere mit Salzwasser gefüllte Colaflaschen trug. Kelwitt stand seltsam schief da und verfolgte schweigend, was um ihn herum geschah.
»Nichts zu machen. Er meldet sich nicht«, sagte Nora Mattek und steckte das Handy ein. Wolfgang hatte es ihr zuliebe gekauft. All die Jahre hatte es unbenutzt auf ihrem Nachttisch in seiner Ladestation gestanden, nur für den Fall, dass einmal nachts Einbrecher kommen könnten. Und nun das …
»Und jetzt?«, fragte Thilo mit großen Augen.
Nora dachte angestrengt nach. »Ich wollte, ich hätte den Führerschein doch noch und einen Porsche unten in der Garage«, murmelte sie. »Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter.«
In diesem Augenblick war draußen ein Fahrzeug zu hören, das sich mit hochtourig knatterndem Motor rasch näherte. Ja, es schien geradewegs auf das Haus zuzubrettern.
Sie hielten beide unwillkürlich die Luft an.
»Es geht los«, flüsterte Thilo.
Es hielt mit quietschenden Bremsen direkt vor dem Haus. Eine Tür schlug, jemand rannte über den Plattenweg zur Haustür. Und klingelte Sturm.
»Los«, zischte Nora. »Wir gehen in den Keller.«
Aber Thilo sprang stattdessen an den Türspion, stieß einen Schrei aus und riss im nächsten Moment die Haustür auf. Eine dunkelhaarige Frau in wallenden Gewändern stand vor der Tür.
»Emma!«, rief Thilo verblüfft.
»Du sollst mich nicht so nennen«, erwiderte Emma Vandout.
»Entschuldigung«, sagte Thilo. »Sybilla.«
Sybilla warf Nora einen Blick zu, musterte Kelwitt einen Moment lang, scheinbar ohne sich im Mindesten zu wundern, und sah dann Thilo an. »Ich habe dir versprochen, dich abzuholen, wenn der große Umbruch beginnt«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme, die einem Schauer über den Rücken jagen konnte. »Es ist so weit.«
»Ehrlich?« Thilo schluckte. So ganz ernst hatte er ihre Visionen eigentlich nie genommen. »Der Weltuntergang?«
»Ich weiß nicht, was kommen wird«, erwiderte Sybilla. »Aber die alte Welt endet heute.«
»Das gefällt mir alles überhaupt nicht«, sagte der Mann in dem weißen Lieferwagen. »Wer ist das jetzt schon wieder?« Die Haustür wurde geschlossen. Der Campingbus der Frau blieb mit laufendem Motor und offener Fahrertür stehen.
»Boris?«, fragte der Mann sein Walkie-Talkie.
Ein Knacken antwortete ihm.
»Los«, sagte der Mann. »Und beeilt euch.«
»Können Sie uns bitte alle drei mitnehmen?«, bat Nora. »Sie schickt der Himmel.«
Sybilla zögerte. Sie deutete auf Kelwitt. »Wer ist das?«
»Mein Name ist Kelwitt«, erwiderte der Außerirdische und nickte ihr mit einer fast menschlichen Geste zu. »Sehr angenehm.«
»Er ist vom Planeten Jombuur«, fügte Thilo hinzu.
Kelwitts Kopf ruckte herum, Richtung Treppe. »Jemand ist in den unterirdischen Teil des Nests eingedrungen«, erklärte er. »Ich höre Bewegungen. Es sind zwei Lebewesen.«
»Die sind alle hinter Kelwitt her«, erklärte Thilo seiner zehn Jahre älteren Freundin hastig. »Die da draußen auch. Lass uns abhauen, schnell!«
»Gut«, erwiderte Sybilla. »Wenn ihr bereit seid, dann kommt mit mir.«
»Wir sind bereit«, erklärte Thilo und griff nach seiner Tasche. »Wir sind so was von bereit …«
Aus dem Nichts war die Luft plötzlich von ohrenbetäubendem Knattern erfüllt, das von überallher gleichzeitig zu kommen schien. Sie erstarrten in ihren Bewegungen. Kelwitt duckte sich wie unter einem Schlag und stieß wohl wieder einen seiner Ultraschall-Schreie aus, denn die Übergardinen im Wohnzimmer begannen
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