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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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fernes Fauchen war zu hören, das Geräusch von Wind, der sich in einer Öffnung fing. Und es roch so verbrannt, als hätte jemand ein Feuer mit Tangwasser gelöscht. Kelwitt tastete umher, berührte Metall, fasste in klaffende Risse und bröckelige Splitter. Nichts davon fühlte sich so an, als sei es Bestandteil eines flugfähigen Raumbootes.
    »Was ist passiert, Tik?«, fragte er. »Wieso lebe ich noch? Das Raumboot ist auf der Planetenoberfläche aufgeschlagen, nicht wahr? Aber ich habe nichts gespürt.«
    »Das Schutzfeld hat die negative Beschleunigung des Aufpralls absorbiert.«
    »Aber das Raumboot ist zerstört, oder?«
    »Das ist korrekt. Der mechanische Kontakt war nicht neutralisierbar.«
    Kelwitt machte eine Geste der Mutlosigkeit, auch wenn das in diesem Moment wenig Sinn machte. Er hatte es ziemlich vermasselt, das stand fest, und keine Ahnung, was er nun tun sollte.
    Hinter ihm knisterte etwas, dann glomm ein kleines Notlicht auf. Er entdeckte das Buch von Mu’ati, hob es auf, schüttelte die graupeligen Plastsplitter ab und schob es in seinen Umbindbeutel.
    »Tik? Wird man nach mir suchen, wenn ich nicht am vereinbarten Treffpunkt bin?«
    »Ja.«
    »Und wie wird man mich finden?«
    »Anhand der Signale des Notsenders, der sich soeben zusammen mit der Notbeleuchtung aktiviert haben dürfte.«
    Das klang wenigstens beruhigend. »Das heißt, ich muss einfach nur hier warten, oder?«
    »Ja.«
    Er furchte die Stimmritze. Einfach nur warten. Das versprach ganz schön langweilig zu werden. Und was würde aus seiner Orakelfahrt werden? Brack, er hatte es wirklich vermasselt.
    »Tik? Spricht etwas dagegen, dass ich hinausgehe?«
    »Das kann nicht empfohlen werden. Die Daten des Planeten weisen zwar weitgehende Ähnlichkeit mit denen Jombuurs auf, aber da er belebt ist, bedürfte es einer eingehenden mikrobiologischen Analyse, um festzustellen, ob ein ungeschützter Aufenthalt auf seiner Oberfläche risikolos möglich ist.«
    »Hat das Raumboot keinen Schutzanzug an Bord?«
    »Selbstverständlich nicht. Eine Landung war schließlich nicht vorgesehen.«
    »Ja, schon gut. Ich hab’s begriffen.« Er würde trotzdem hinausgehen. Er konnte unmöglich sechs oder sieben ereignislose Tage hier in diesem schummrigen Halbdunkel sitzen und nichts tun.
    In diesem Augenblick dröhnte ein dumpfer Schlag durch das Raumboot. Und dann noch einer.
    Kelwitt erstarrte.
    Große Untiefe, natürlich – auf diesem Planeten gab es ja Lebewesen! Und das klang, als wäre draußen eines, das hereinwollte.
    Es klang, als würde er sich vielleicht bald wünschen, sechs oder sieben ereignislose Tage lang in schummrigem Halbdunkel zu sitzen und nichts zu tun.
    Der einzige Mensch, der den Absturz tatsächlich sah, war der alte Anton Birnbauer. Das war sehr bedauerlich, denn dieser Augenzeuge galt bei seinen Mitmenschen nicht als besonders vertrauenswürdig. Um genau zu sein, man hätte ihm nicht einmal geglaubt, wenn er das kleine Einmaleins einwandfrei aufgesagt hätte. Was er, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich nicht gekonnt hätte, denn die Tage seiner Schulzeit schienen, wenn überhaupt, in einem anderen Jahrhundert stattgefunden zu haben. Die meisten Bewohner von Blaukirch kannten ihn nur in mehr oder weniger angetrunkenem Zustand, und selbst wenn es dunkel oder neblig war, fiel es ihnen leicht, ihm aus dem Weg zu gehen, so weitreichend war die Wolke aus Bierdunst und ähnlichen Gerüchen, die ihn umgab. Dass er seine Kleidung nie zu wechseln schien, unterstützte diesen Effekt nur noch.
    Einige Jahre zuvor hatte der Sohn des Birnbauer Anton, der ansonsten so wenig wie möglich mit seinem Vater zu tun haben wollte, ihm in einem Anfall weihnachtlichen Familiengefühls einen Hund geschenkt, der in seiner Ahnenreihe überwiegend Cockerspaniel aufzuweisen hatte und auf den seltsamen Namen »Bundeskanzler« hörte. Bundeskanzler fasste eine unverbrüchliche Zuneigung zu dem alten Säufer, wie nur Hunde dies vermögen, und wich hinfort nicht mehr von seiner Seite.
    Bundeskanzler sorgte dafür, dass Anton vor dem Mittagsschlag der Kirche aus dem Bett kam, und bestand auf einem ausgiebigen Spaziergang durch die Fluren rund um den kleinen Ort. Dort wuselte er dann bei jedem Wetter umher, beschnupperte die Wegränder, wedelte über die Neuigkeiten, die es dort zu riechen gab, machte bellend ein paar Sätze und kam immer sogleich wieder zurück zu dem Alten, wie um ihn daran zu erinnern weiterzugehen. Und Anton stapfte gehorsam mit, als bestünde

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