Kelwitts Stern
Sabrina, was macht unser Besuch gerade?«
»Unser Besuch schläft.«
»In der Badewanne.«
»Ja.«
»Nun ja«, sagte Vater Mattek. »Jeder, wie es ihm beliebt. Jedenfalls müssen wir uns darüber klar werden, was wir mit ihm tun.«
»Ich denke, das haben wir gestern ausgemacht?«, beharrte Sabrina. »Er bleibt unser Gast, bis er abgeholt wird.«
»Und wann wird das sein? Morgen? In einer Woche? In zehn Jahren?«
»Er hat doch gesagt, in sieben Tagen.«
»Sieben unserer Tage oder sieben seiner Tage?« Ihr Vater sah sie ausgesprochen grimmig an. »Ich sag dir eins – ich habe keinerlei Lust, so einen doofen Familienvater abzugeben wie in dieser amerikanischen Serie mit dem zotteligen Außerirdischen, die ihr früher immer angeschaut habt!«
»Null problemo. Kelwitt ist übrigens dabei, unsere Sprache zu lernen, und dann können wir ja noch mal genauer nachfragen.«
»Und wie lange wird das dauern?«
»Bestimmt nicht mehr lange, wenn er weiter fernsieht wie ein Verrückter«, knurrte Thilo. »Der Fernseher in seinem Zimmer war die ganze Nacht an. Und er kann schon eine Irrsinnslatte von Sprüchen aus dem Werbefernsehen aufsagen. Ich hab kein Auge zugekriegt.«
»Dann komm nicht so spät heim«, versetzte seine Mutter. »Um fünf Uhr morgens, alles was recht ist!«
Thilo verschränkte die Arme vor der Brust, ein einziges Bild trotziger Abwehr. »Das geht euch überhaupt nichts an.«
»Das geht uns sehr wohl etwas an. Vor allem, wenn du um fünf Uhr morgens mit Geschirr durch die Gegend schmeißt und herumschreist wie am Spieß.«
»Entschuldige, dass ich erschrocken war, als ich einen Außerirdischen in unserer Küche vorgefunden habe.«
»Und außerdem bist du erst sechzehn. Sechzehn! Diese Frau ist viel zu alt für dich.«
»Geht das wieder los!«, ächzte Thilo.
»Genug!« Das Familienoberhaupt schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Ihr hättet Thilo nicht so oft ›Harold and Maude‹ sehen lassen sollen«, meinte Sabrina gehässig.
»Ich habe gesagt, genug!«, beharrte Vater Mattek. »Und zurück zum Thema.«
»Ja, ja.«
»Also, was wissen wir von diesem Wesen? Es schläft lieber in einer Badewanne als in einem Bett, schaut sich freiwillig alle Kabelkanäle an und hat eine Art Computer auf der Schulter, der hoffentlich bald gelernt hat, seine Sprache zu übersetzen. So weit, so gut – aber was zum Beispiel isst es? Woher kommt es überhaupt? Und was will es eigentlich hier?«
»Habt ihr schon mal überlegt, dass er eine Art Kundschafter sein könnte, der eine Invasion der Erde vorbereitet?«, warf Thilo ein. »Wenn seine Kollegen kommen, fressen sie uns vielleicht zum Dank als Erste.«
Sabrina musterte ihn verächtlich von oben bis unten. »Du bist widerlich, weißt du das?«
»Nein, Sabrina«, widersprach ihr Vater, »das ist der erste ernstzunehmende Einwand, den ich höre. So etwas Ähnliches habe ich mir heute Nacht auch überlegt. Ich meine, warum ist er allein? Er weiß so gut wie nichts über uns. Niemand würde eine Expedition auf einen unbekannten Planeten entsenden, die nur aus einer Person besteht. Das ist unlogisch.«
»Vielleicht hat seine Rasse eine andere Art von Logik«, meinte Sabrina.
»Es gibt nur eine Art von Logik, egal, ob man Haare auf dem Kopf hat oder Atemschlitze. Wenn wir sonst nichts mit ihm gemeinsam haben sollten, die Logik haben wir auf jeden Fall dieselbe.«
»Dann weiß ich’s auch nicht«, sagte Sabrina und strich sich mit einer betont doofen Geste über die Haare. »Du weißt ja – Frauen und Logik, das passt auf keinen Fall zusammen …«
In diesem Augenblick war aus den Tiefen des Hauses wieder ein Geräusch zu hören, das sich anhörte wie eine Vielzahl ferner Stimmen, die in einem Blecheimer durcheinanderredeten.
»Er hat den Fernseher wieder an«, sprach Thilo aus, was allen klar war.
»Ich weiß nicht so recht«, murmelte sein Vater unbehaglich. »Bekommt er auf diese Weise nicht einen ziemlich verzerrten Eindruck von uns?«
Thilo sah auf die Armbanduhr und musste lachen. »Ja, genau. Samstagvormittag. Jetzt laufen die ganzen Zeichentrickfilme für die Kiddies. Donald Duck. Tom und Jerry. Familie Feuerstein. Da dreht er durch, wetten?«
»Anacondas Bericht.« Ein Schnellhefter mit drei Blättern darin landete flatternd auf dem Schreibtisch.
»Und?«, fragte der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt. »Sie hat die Scheune gefunden.«
»Mit dem Loch im Dach?«
»Genau. Und total zerwühlt das ganze Heu darin. Aber kein abgestürztes
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