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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nicht einmal, weil lauter Wolken davor sind. Ich weiß nicht – früher waren die Winternächte immer die besten, wenn man Sterne beobachten wollte. Als ich jung war, erinnere ich mich an eine Nacht … Ich ganz allein unter einem gewaltigen Himmel voller Sterne, einem Himmel wie die Schatzkammer eines Märchenfürsten … Das war so schön. Ich würde meinen rechten Arm geben dafür, das noch einmal sehen zu können.«
    Er schwieg. Thilo schwieg auch. Manchmal gab es nichts zu reden, das war er gewöhnt, und dann saß er einfach da. Es war eine seltsame Ruhe in diesen Momenten, eine Ruhe, wie sie nur alte Leute ausstrahlen konnten.
    Aus dieser Ruhe heraus kam ihm ein Gedanke.
    »Herr Güterling?«, fragte er leise. »Darf ich Sie etwas fragen?«
    Der alte Mann blickte ihn an. »Alles, was du willst, mein Sohn. Man muss sein Leben lang Fragen stellen, auch wenn nicht alle beantwortet werden.«
    Thilo fuhr sich nervös über die Lippen. Wahrscheinlich war das jetzt der schiere Blödsinn. »Was würden Sie sagen«, fragte er langsam, »wenn ich Ihnen erzählen würde, dass bei uns zu Hause gerade ein Außerirdischer auf sein Raumschiff wartet?«
    Es war vorher schon ruhig gewesen wie in einer Kirche, aber nun war es plötzlich noch stiller. Güterling schien aufgehört haben zu atmen, schaute ihn bloß noch forschend an mit Augen, die zu glühen anfangen wollten. Keine Vorhaltungen, einen alten Mann nicht zum Narren zu halten. Kein Spott. Kein Argwohn. Sie hatten einen Punkt der Wahrheit erreicht, an dem es all das nicht mehr gab.
    »Bring ihn bitte zu mir«, bat Wilhelm Güterling dann schlicht. »Vielleicht war mein Leben doch nicht vergebens.«
    Kelwitt hielt es in der unbequemen Schlafmulde der Erdbewohner nicht mehr aus, aber auf zu sein war auch zur Qual geworden.
    »Tik«, klagte er, »was soll ich nur tun?«
    »Ich verfüge leider über keinerlei medizinische Wissensbank«, erklärte Tik mit kühlem Bedauern.
    »Brack! Ein schwerer Konstruktionsfehler, wenn du mich fragst.«
    »Die entsprechenden Speicher wurden zugunsten einer Wissensbank über den interstellaren Handel im Yarnton-Quadranten ausgetauscht. Es wäre also inkorrekt, von einem Konstruktionsfehler zu sprechen.«
    »Also gut«, gab Kelwitt nach. »Dann steh’ ich eben wieder einmal auf.«
    Er wälzte sich mühsam aus der Schlafmulde, tränkte den Feuchteanzug nach und schlüpfte hinein. Er war gerade damit fertig, als die Tür aufging und S’briina den Kopf hereinstreckte.
    »Ah, du bist wach«, sagte sie – wobei ihm der Unterschied zwischen »sie« und »er« immer noch nicht recht klar war.
    »Ja«, bestätigte er. »Ich bin wach. Allerdings wäre es mir lieber, ich wäre es nicht.«
    »Immer noch Schmerzen?«
    Kelwitt machte die irdische Geste der Bejahung. S’briina bedeutete ihm ihrerseits mit einer relativ verständlichen Handgeste, aufzustehen und ihr zu folgen. »Wir haben vielleicht etwas für dich«, sagte sie.
    Staunend verfolgte Kelwitt, wie fast der ganze Schwarm hereinkam – Unsremuutr, F’tehr, nur Tiilo fehlte – und in einer gemeinsamen Anstrengung das weiche Möbelstück aus dem vorderen Zimmer schaffte. Dann zogen sie ein seltsames Ding aus blauer und gelber Folie herein, stöpselten ein kleines graues Gerät daran und wechselten sich damit ab, in gleichmäßigem Rhythmus mit dem Fuß auf dieses graue Gerät zu treten. Dabei entstand ein zischender Laut, und das Ding aus blauer und gelber Folie fing langsam an, seine Form zu verändern. Wenige kurze Zeiteinheiten später konnte man schon erahnen, worauf das hinauslief: Die blaue Folie fing an, sich zu einem großen flachen Ring zu formen, und die gelbe Folie war im Inneren dieses Rings befestigt.
    Was das wohl zu bedeuten hatte? Vielleicht ein Abschiedsritual? Das gab es auch auf Jombuur. Die Bewohner der Sternregenbucht zum Beispiel ließen niemanden gehen ohne ein Abschiedsritual, das in extremen Fällen wesentlich länger dauern konnte als die darauffolgende Reise. Und immerhin würde morgen oder übermorgen das Raumschiff kommen, und dann hieß es schließlich auch, Abschied zu nehmen.
    »Tik, was tun sie da?«
    »Hierzu kann ich keinerlei Angaben machen, da mir nicht genügend Grundlagendaten zur Verfügung stehen«, beschied Tik. »Der Gegenstand scheint pneumatisch stabilisiert zu werden. Es ist aber unklar, wozu er dient.«
    »Schon gut.« Im Grunde war es albern, immer von einem Computer Auskunft zu erwarten über Dinge, die man selber noch nie gesehen

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