Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
– um mich zu überzeugen, müssen Sie schon schwerere Geschütze auffahren. Anders ausgedrückt: Ich gebe Ihnen genau 24 Stunden Zeit, bis morgen Mittag um zwölf. Dann werden Sie mir Bericht über die derzeitige Lage in Berlin erstatten. Persönlich. Sollten Sie bis dahin nichts in der Hand haben, ist die Angelegenheit für mich erledigt. Haben wir uns verstanden, Luke? So, und jetzt möchte ich nach Möglichkeit nicht mehr gestört werden, Chief Executive. Schönen Tag, und grüßen Sie mir Berlin!«
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Berlin-Dahlem, Gelände der USMLM 24 im Föhrenweg | 17.40 h
»Heißt das, Sie unterstellen mir, ich würde nicht die Wahrheit sagen?«
Luciano Calabrese hasste es, Gefühle zu zeigen. Noch mehr allerdings hasste er es, wie ein Trottel dazustehen. Schließlich war er nicht irgendein x-beliebiger Lakai aus dem Weißen Haus und dieser irische Hosenscheißer, der sich Präsident schimpfte, nur zwei Jahre älter als er. Der Chef von DECOP schäumte vor Wut. Das würde er sich nicht bieten lassen. Schon gar nicht vonseiten eines neureichen Schnösels, der, so seine feste Überzeugung, seine Karriere einzig und allein den Finanzspritzen seines Vaters, manipulierten Wahlen und Betrügereien in großem Stil zu verdanken hatte.
»Schönen Tag, und grüßen Sie mir Berlin!«
Feuerrot vor Zorn, schleuderte Calabrese den Hörer auf die Gabel und ballte die Faust. »Dafür wirst du mir büßen, du …«, knirschte er, kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. »So wahr ich Luciano Calabrese heiße!«
»Mal ehrlich, Chief Executive – haben Sie wirklich damit gerechnet, dass Kennedy unseren Köder schlucken würde?« Arrogant wie immer, was sich vor allem in seinem Tonfall niederschlug, stand Jermaine Ross, knapp 32 Jahre alter Sohn eines Schrotthändlers aus Detroit, am Fenster der geräumigen Backsteinvilla und blickte mit ausdrucksloser Miene in den weitläufigen, knapp 10.000 Quadratmeter großen und von mächtigen Kiefern umgebenen Garten hinaus. Das ehemalige Hauptquartier von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, seines Zeichens Chef des OKW 25 , war unmittelbar nach dem Krieg von den Amerikanern requiriert, im Lauf der Jahre zu einer unverzichtbaren Bastion diverser US-Nachrichtendienste ausgebaut und mit allem vollgestopft worden, was das Herz der vor Ort operierenden Agenten höher schlagen ließ. So unter anderem mit jeder nur erdenklichen Art von Abhörgeräten, Apparaturen zur Verschlüsselung und Dechiffrierung von Funksprüchen und nicht zuletzt mit einem hochmodernen Fotolabor, um das sie sogar der britische MI6 26 beneidete. Genützt hatte dies während der vergangenen Tage und Wochen nicht viel, tappte man doch bezüglich der Gerüchte über eine Abriegelung des Ostsektors von Berlin weiterhin im Dunkeln. Ob und wann Chruschtschow und seine Ostberliner Gefolgsleute Ernst machen würden, hatte bislang kein Mensch herausfinden können, von der Frage nach dem Wie gar nicht zu reden. Außer wilden Spekulationen, vereinzelten Hinweisen befreundeter Dienste und vagen Andeutungen vonseiten der eigenen Undercover-Agenten war bislang nicht viel durchgesickert. Ein Grund mehr, dass sich die Stimmung von Calabrese, der seine Felle allmählich davonschwimmen sah, immer mehr dem Nullpunkt näherte.
Auf seinen ungleich besser gestimmten, eine Marlboro nach der anderen rauchenden und dabei ins Grüne hinausschauenden Gesprächspartner schien dies jedoch nicht die geringste Wirkung zu haben. »So unbedarft, wie Sie ihn einschätzen, scheint der Oberbefehlshaber unserer Streitkräfte nun wirklich nicht zu sein.«
»Und was jetzt?«
»Um diesen Friedensapostel aus der Reserve zu locken, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Jedenfalls mehr als das Kaspertheater gestern Abend. Wundert mich ohnehin, dass dieser Blaschkowitz auf uns reingefallen ist.«
Drauf und dran, Ross eine Lektion in Sachen Benehmen gegenüber Vorgesetzten zu erteilen, holte Calabrese tief Luft, ließ dann aber von seinem Vorhaben ab und fragte: »Was ist eigentlich mit unserem Lockvogel?«
»Unterwegs Richtung Heimat.«
»Der College-Boy, von dem Sie anscheinend so viel halten?«
»Ebenso.«
»Der Leichnam von Blaschkowitz?«
»Im Kofferraum eines ausrangierten Opel Rekord verstaut.«
»Heißt das, Sie haben ihn …«
»Auf einem Schrottplatz verschwinden lassen, genau. Und eine falsche Spur gelegt, damit nichts schiefgeht. Falls doch, habe ich mir vor einer Viertelstunde erlaubt, unseren verlängerten Arm bei der Berliner Kripo
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