Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
das Wochenende vermasseln zu lassen.
Calabrese entging dies nicht. »Auf die Gefahr, Sie zu langweilen, Sir –«, beharrte er, wobei es ihm nur mit Mühe gelang, seinen Groll zu verbergen. »So harmlos, wie die Angelegenheit auf den ersten Blick aussieht, ist sie nicht. Bedauerlicherweise.«
»Dazu müssten Sie mir erst mal sagen, um was es sich dreht, Luke.«
»Wie gesagt, es geht um einen Buchhalter aus Berlin, geködert durch den KGB. Vermutlich für Kurierdienste.«
»Vermutlich?«
Calabrese tat so, als habe er die Frage des Präsidenten und den gelangweilten Ton, der in ihr mitschwang, nicht bemerkt. »Und um … um eine KGB-Angehörige, die sich an ihn rangepirscht, diesen Volltrottel abgeschleppt und ihn anschließend …«
»Sehe ich das richtig, Luke, Sie haben die beiden auf frischer Tat ertappt?«
»Ganz recht, Sir. Offen gestanden hatten wir die Dame schon länger unter Verdacht. Deshalb haben wir sie auch rund um die Uhr beschatten lassen. So lange, bis sie uns schließlich ins Netz gegangen ist.«
Der Präsident pfiff demonstrativ durch die Zähne. »Kompliment, Luke. Ihr Jungs von der CIA seid wirklich auf Draht«, witzelte er, nach wie vor nicht übermäßig interessiert. »Und was ist an Ihrem Coup so interessant, dass Sie mir an meinem freien Tag auf die Bude rücken und nicht noch zwei Tage warten konnten?«
»Es geht um Berlin, Sir.«
»Das sagten Sie bereits.«
»Aufgrund der Unterlagen, die uns in die Hände gefallen sind, müssen wir davon ausgehen, dass die Russen einen Überraschungsangriff auf die westliche Garnison planen.«
Trotz seines Misstrauens gegenüber der CIA im Allgemeinen und Calabrese sowie Dulles im Besonderen war der Präsident auf einmal hellwach. »Ein Präventivschlag?«, äußerte er überrascht, mit einer Lautstärke, dass seine Frau Jackie einen Blick zur Tür herein warf, auf eine beruhigende Geste ihres Gatten hin jedoch wieder verschwand. »Alles, was recht ist, Luke – aber das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.«
»Bei allem gehörigen Respekt, Mister President – die Dokumente, die uns in die Hände gefallen sind, sprechen eine deutliche Sprache.«
»Was für Dokumente denn, zum Teufel noch mal?«
»Solche, die man braucht, um einen Angriff auf die Garnison der drei Westmächte möglichst effektiv und Erfolg versprechend durchführen zu können«, beharrte Calabrese, ohne sich auch nur eine Sekunde aus dem Konzept bringen zu lassen. »Als da sind: ein Verzeichnis sämtlicher Garnisonsstandorte, Angaben über die jeweilige Mannschaftsstärke, diverse Listen, aus denen man Rückschlüsse auf die Bewaffnung der alliierten Streitkräfte ziehen kann. Und natürlich Karten, Sir – jede Menge Karten.« Um seine Pointe an den Mann bringen zu können, hielt Calabrese mehrere Sekunden inne. Anschließend sagte er: »Damit sich die Russen nicht verlaufen, wenn sie Ernst machen.«
»Diese Agentin, Rick – ich nehme an, Sie sind dabei, Ihr auf den Zahn zu fühlen.«
»Das genau ist das Problem, Sir«, antwortete Calabrese, aus dessen Stimme der Unmut sprach, der ihn angesichts Kennedys Zaudern befiel. »Bedauerlicherweise ist es uns bislang nicht gelungen, der Dame habhaft zu werden.«
»Mit anderen Worten – der Lockvogel ist ausgeflogen.«
»So könnte man es ausdrücken, Sir.«
»Und der vermeintliche Kurier?«
»Selbstmord, Sir. Ein Moment der Unachtsamkeit, und schon war es passiert.« Erneut ließ Calabrese einige Zeit verstreichen, bevor er dem Präsidenten die nächste Lüge auftischte. »Kaum hat er das Verhörprotokoll unterschrieben, reißt er einem unserer Agenten die Pistole aus dem Halfter, drückt sie sich an die Schläfe und …«
»Einfach so?«, fiel ihm Kennedy ins Wort, mehr denn je auf der Hut vor dem Mann, auf dessen Ehrlichkeit er nicht einmal einen Cent gewettet hätte. »Nehmen Sie es mir nicht übel, Chief Executive – aber ich frage mich allen Ernstes, wie so etwas überhaupt möglich ist.«
»Heißt das, Sie unterstellen mir, ich würde nicht die …«
»Gar nichts heißt das, Signore !«, stauchte Kennedy die graue Eminenz der CIA zusammen. »Außer vielleicht, dass ich Ihnen ans Herz legen möchte, wegen ein paar geheimer Unterlagen keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Karten, Stadtpläne, Angaben über unsere Truppenstärke – so etwas hat doch wohl jeder drittklassige Sowjetagent auf Lager. Die da drüben wären ja ihr Geld nicht wert, wenn sie nichts Derartiges in petto hätten. Alles, was recht ist, Luke
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