Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
anzulegen wäre glatter Selbstmord gewesen.« Klimowitz holte tief Luft. »Ich weiß, was Sie jetzt denken, Herr Kommissar, der Klimowitz hatte einfach Schiss. Stimmt aber nicht. Mit so einem hätte ich es gerade noch aufnehmen können.«
»Sicher?«
»Knapp fünfzig, mittelgroß, verlebt und nicht mehr gut bei Fuß – klingt nicht gerade Furcht einflößend, oder?«
»Heißt das, er hat einen Gehstock benutzt?«
»Genau. Und er hat eine Fahne gehabt. Aber gut Kirschen essen war mit dem Strolch trotzdem nicht.«
»Wieso?«
Klimowitz fingerte nervös an seiner Uniform herum. »Er hat mir seine Dienstmarke vor den Riechkolben gehalten, Herr Hauptkommissar«, entgegnete der S-Bahn-Bedienstete und trat bis auf Armlänge an Sydow heran. »Das hat mir gereicht.«
Sydow zog die Stirne kraus und erwiderte seinen Blick. »Ehrlich gesagt ist mir nicht bekannt, ob einer meiner Kollegen von der Kripo …«
»Was heißt hier Kollege, guter Mann«, tönte Klimowitz und sah Sydow, dem die Verwunderung ins Gesicht geschrieben stand, mit mitleidigem Augenaufschlag an. »So einfach, wie Sie sich das denken, ist die Chose nicht. Alles, was recht ist – aber in Ihrer Haut wollte ich nicht stecken.«
»Danke für Ihr Mitgefühl.«
»Keine Ursache«, entgegnete Klimowitz, der es auf einmal ziemlich eilig zu haben schien, erhob sich und strebte der Tür des Aufenthaltsraumes zu. Dort angekommen, hielt er zögernd inne, wandte sich schließlich um und sagte: »Und viel Glück bei Ihren Ermittlungen gegen die CIA!«
13
Berlin-Grunewald, Schlosshotel Gerhus | 18.20 h
An der Sache war verdammt noch mal etwas faul. Oberfaul sogar.
Die Frage war nur, was.
Schon auf der Fahrt ins piekfeine Schlosshotel unweit des Grunewalds waren Jim Brannigan ernsthafte Zweifel gekommen, ob sein ehemaliger Schützling auch wirklich auf die Finte mit dem Peilsender hereingefallen war. Nicht umsonst galt der Zarewitsch als einer der abgezocktesten Agenten der CIA, als ein Alleskönner, der in ihren Reihen seinesgleichen suchte. Schwer vorstellbar, dass ihm ein derartiger Fehler unterlaufen würde. Dafür wie für vieles andere, was mit seiner Mission zusammenhing, musste es eine Erklärung geben.
Die Frage war nur, welche.
Während er auf den Torbogen zusteuerte, der das ehemals hochherrschaftliche Domizil derer von Pannwitz mit der Außenwelt verband, nahm Brannigan seine Kippe aus dem Mund, schnippte sie in den Rinnstein und kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Der Zarewitsch – ein Doppelagent? Nie und nimmer. Diesbezüglich kannte er ihn viel zu gut. So gut, dass er für seinen einstigen Musterschüler die Hände ins Feuer gelegt hätte. Ausgeschlossen, dass er für beide Seiten tätig gewesen oder von den Russen umgedreht worden war. Er hatte volle acht Jahre mit diesem Mann zusammengearbeitet, ihn beinahe täglich gesehen, ihn ausgebildet, sich sogar mit ihm angefreundet. Und ausgerechnet dieser Agent, der begabteste Schüler, den er jemals gehabt hatte, sollte ein Verräter sein? Nie im Leben. Für ihn, Special Agent Brannigan, stand dies unverrückbar fest.
Warum aber die Order von Calabrese, den Zarewitsch wie einen räudigen Köter zu exekutieren? Seit seinem Verschwinden vor knapp zwei Monaten hatte die Zentrale Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um herauszubekommen, ob ihm etwas zugestoßen war. Und dann, von einem Moment auf den anderen, diese Kehrtwendung. Um sage und schreibe 180 Grad. Wanted – dead or alive. So lautete anscheinend die Parole. James Stuart Brannigan, Sohn irischer Einwanderer, hochdekorierter Marineinfanterist und Spezialist für Operationen hinter den feindlichen Linien, umklammerte seinen Gehstock und kratzte sich gedankenverloren am Kinn. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, Teil eines perfiden Komplotts zu sein, wenngleich er keinen blassen Schimmer hatte, was hier eigentlich gespielt wurde. An seinem Auftrag, so schwer ihm dessen Durchführung auch fiel, änderte dies jedoch nichts. Wenn er von Calabrese einen Befehl bekam, bedeutete dies, dass er ihn auszuführen hatte. Ganz gleich, ob ihm das in den Kram passte oder nicht. Befehl war nun einmal Befehl. Wer sich darüber hinwegsetzte, würde jede Menge Ärger bekommen. Oder eine Kugel in den Kopf.
Brannigan murmelte etwas, das der Portier vor dem schmiedeeisernen Eingangstor zum Glück nicht mitbekam und drehte sich zu dem blauweißen VW-Bus um, der nur wenige Meter entfernt am Straßenrand stand. In seinem
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