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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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schüchternem Lächeln, vielleicht ein paar Jahre älter als Henrik. Sie konnte nicht die geringste Ähnlichkeit mit Christian Holloway erkennen.
    Steve Nichols erzählte von der ideellen Organisation, für die er arbeitete, »A for Assistance«, die in den USA und Kanada tätig war und Aidskranke darin unterstützte, ein normales Leben zu führen. Aber er verriet nicht, daß er selbst infiziert war. Es stand nichts von Erpressung da. Nur daß er für die Kranken eine aufopferungsvolle Arbeit leistete.
    Sie hatte die Hoffnung fast schon aufgegeben, als sie plötzlich einen kleinen Kasten mit biographischen Angaben fand.
    »Steve Nichols. Geboren am 10. Mai 1970 in Los Angeles, Mutter Mary-Ann Nichols, Vater Christian Holloway.«
    Sie schlug heftig mit der Hand auf den Tisch. Der Angestellte, ein junger Schwarzer in Schlips und Anzug, sah forschend zu ihr herüber. Sie winkte ihm beruhigend zu und sagte, sie habe gefunden, wonach sie gesucht habe. Er nickte und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
    Die Entdeckung erschütterte sie. Was sie bedeutete, war noch unklar. Christian Holloway trauerte um seinen Sohn. Doch was war hinter der Trauer ? Ein rächender Geist, der herausfinden wollte, wer hinter der Erpressung und dem Selbstmord des Sohns steckte?
    Lucinda kam zurück, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Louise erzählte von ihrer Entdeckung. »Aber ich habe meine Zweifel. Wäre es vor zwanzig Jahren passiert, dann wäre es etwas anderes. Aber heute nicht mehr. Würde heute wirklich noch jemand Selbstmord begehen aus Angst, als Aidskranker entlarvt zu werden?«
    »Vielleicht war es aus Angst vor der Enthüllung, daß er von einer weiblichen oder einem männlichen Prostituierten angesteckt war?«
    Louise sagte sich, daß Lucinda recht haben konnte. »Ich möchte, daß du herausfindest, wonach Henrik gesucht hat, als ihr hier wart. Kannst du mit einem Computer umgehen?«
    »Auch wenn ich nur in einer Bar serviere und ein Leben als käufliche Frau geführt habe, bedeutet das noch nicht, daß ich nicht mit einem Computer umgehen kann. Wenn du es genau wissen willst, so hat Henrik es mir beigebracht.«
    »So habe ich es nicht gemeint.«
    »Wie du es meinst, weißt du selbst am besten.«
    Louise hatte Lucinda erneut gekränkt. Sie entschuldigte sich. Lucinda nickte kurz, sagte aber nichts. Sie tauschten die Plätze.
    Lucindas Hände bewegten sich prüfend über die Tastatur. »Er sagte, er wolle über etwas lesen, was in China geschehen sei. Wie hieß die Seite noch?«
    Sie suchte in der Erinnerung. »Aids Report«, sagte sie. »So hieß sie. «
    Sie begann zu suchen. Ihre Finger glitten leicht und schnell über die Tasten.
    Louise erinnerte sich plötzlich an eine Episode in Henriks Kindheit, als sie versucht hatte, ihn zum Klavierunterricht zu schicken. Seine Hände verwandelten sich rasch in Hämmer, die in glücklichem Irrsinn drauflosschlugen. Nach drei Stunden empfahl der Klavierlehrer ihr, daß Henrik lieber Trommler werden sollte.
    »Es war im Mai«, sagte Lucinda. »Es war windig, der Sand wurde aufgewirbelt. Henrik bekam etwas in sein linkes Auge. Ich half ihm, es rauszuholen. Dann gingen wir hierhin. Wir saßen dort am Fenstertisch.«
    Sie zeigte auf eine Ecke des Raums.
    »Dieses Cafe war gerade eröffnet worden. Die Computer waren ganz neu. Der Inhaber war selbst hier, ein Pakistani oder Inder, vielleicht war er auch aus Dubai. Er lief unruhig herum und fauchte die Leute an, mit den Computern vorsichtig umzugehen. Einen Monat nach der Eröffnung floh er aus dem Land. Das Geld, das er hier investiert hatte, stammte aus einem großangelegten Drogenschmuggel über die Ilha de Mozam-bique. Wer der jetzige Inhaber ist, weiß ich nicht. Vielleicht weiß es niemand. Das bedeutet im allgemeinen, daß es einer unserer Minister ist.«
    Lucinda suchte weiter im Archiv von Aids Report und fand fast augenblicklich den erhofften Artikel. Sie rutschte mit dem Stuhl zur Seite und ließ Louise selbst lesen.
    Der Artikel war klar und eindeutig. Im Spätherbst 1995 kamen einige Männer in die Provinz Henan in China, um Blut zu kaufen. Für die Bauern in den armen Dörfern war es eine einmalige Gelegenheit, Geld zu verdienen. Sie hatten es nie zuvor erlebt, daß sie sich anders als durch harte körperliche Arbeit Einkünfte verschaffen konnten. Jetzt brauchten sie nichts weiter zu tun, als sich auf eine Pritsche zu legen und sich einen halben Liter Blut abzapfen zu lassen. Diejenigen, die das Blut kauften, waren nur am

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