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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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versteckt.
    Er hat ein Internetcafe gewählt, weil er in Lars Häkanssons Computer keine Spuren hinterlassen wollte.
    »Kannst du dich erinnern, ob hier noch jemand hereinkam, während er am Computer arbeitete?«
    »Ich war müde und hungrig. Ich trank etwas und aß ein pappiges Sandwich. Natürlich kamen und gingen Leute. An Gesichter erinnere ich mich nicht. Schließlich machte er eine Kopie des Artikels, und wir gingen. Als wir zu mir kamen, begann es zu regnen.«
    »Hat er sich auf dem Weg zurück noch einmal umgesehen?« »Ich weiß es nicht.«
    »Denk nach!«
    »Ich denke nach! Ich weiß es nicht. Wir sind gelaufen, um noch vor dem Regen ins Haus zu kommen. Danach hat es mehrere Stunden gegossen. Die Straßen waren überschwemmt. Natürlich hatten wir einen Stromausfall, der bis in den Nachmittag hinein dauerte.«
    »Ist er bei dir geblieben?«
    »Ich glaube, dir ist nicht klar, was ein afrikanischer Regen bedeutet. Es schüttet wie aus Eimern. Niemand geht freiwillig nach draußen.«
    »Hat er nichts über den Artikel gesagt? Wie war er darauf gekommen? Was hatte er mit Christian Holloway zu tun?«
    »Als wir zu mir nach Hause kamen, bat er mich, schlafen zu dürfen. Er legte sich in mein Bett. Ich sagte meinen Geschwistern, sie sollten leise sein. Das waren sie natürlich nicht. Aber er schlief. Ich glaubte, er sei krank. Er schlief, als wäre er lange Zeit ohne Schlaf gewesen. Er erwachte am Nachmittag, als der Regen gerade aufgehört hatte. Als die Regenwolken fortzogen, gingen wir hinaus. Die Luft war frisch. Wir sind am Strand spazierengegangen.«
    »Hat er da immer noch nichts zu dem Artikel gesagt?«
    »Er erzählte etwas, was er einmal gehört hatte. Eine Geschichte, die er nie vergessen konnte. Ich glaube, sie spielte in Griechenland, oder in der Türkei. Es war vor sehr langer Zeit geschehen. Eine Gruppe von Menschen versteckte sich vor feindlichen Eindringlingen und zog sich in eine Höhle zurück. Sie hatten Nahrung für mehrere Monate, und Wasser hatten sie in der Höhle, wo es von der Decke tropfte. Aber sie wurden entdeckt. Der Feind mauerte den Höhleneingang zu. Vor einigen Jahren entdeckte man den zugemauerten Höhleneingang und fand all die Toten. Aber das Sonderbarste, was sie fanden, war ein Tonkrug, der auf dem Boden stand. Er war benutzt worden, um das von der Decke tropfende Wasser aufzufangen. Mit den Jahren hatte das tropfende Wasser sich kristallisiert, einen Stalagmiten gebildet und den Krug umschlossen. Henrik sagte, daß er sich so Geduld vorstelle. Wie die Vereinigung von Krug und Wasser in einem Stalagmiten. Wer ihm die Geschichte erzählt hat, weiß ich nicht.«
    »Das war ich. Es war eine Sensation, als die Höhle auf der Peloponnes in Griechenland entdeckt wurde. Ich war selbst dabei.«
    »Warum warst du eigentlich in Griechenland?«
    »Ich habe dort als Archäologin gearbeitet.«
    »Ich weiß nicht, was das ist.«
    »Ich suche nach dem Vergangenen. Spuren von Menschen. Gräber, Höhlen, alte Paläste, Manuskripte. Ich grabe nach dem, was es vor langer Zeit gegeben hat.«
    »Ich habe nie gehört, daß es hier bei uns Archäologen gibt.«
    »Vielleicht nicht so viele, doch es gibt sie. Hat Henrik wirklich nichts darüber gesagt, woher er diese Geschichte hatte?«
    »Nein.«
    »Hat er nie etwas von mir erzählt?«
    »Nie.«
    »Hat er nie von seiner Familie gesprochen?«
    »Er sagte, er habe einen Großvater, der ein berühmter Künstler sei. Weltberühmt. Dann hat er viel von seiner Schwester Felicia erzählt.«
    »Er hatte keine Schwester. Er war mein einziges Kind.«
    »Das weiß ich. Er sagte, er hätte eine Schwester von der Seite seines Vaters.«
    Einen kurzen Augenblick dachte Louise, daß es stimmen konnte. Aron konnte mit einer anderen Frau Kinder gehabt haben, ohne es ihr zu sagen. Falls es sich so verhielt, wäre es die äußerste Kränkung, daß er es Henrik erzählt hätte, aber nicht ihr.
    Doch es war unwahrscheinlich. Henrik hätte es nie geschafft, eine solche Lüge vor ihr geheimzuhalten, selbst wenn Aron ihn um Vertraulichkeit gebeten hätte.
    Es gab keine Schwester. Henrik hatte sie erfunden. Warum, würde sie nie erfahren. Sie konnte sich nicht entsinnen, daß er sich bei ihr je darüber beklagt hätte, keine Geschwister zu haben. Daran würde sie sich erinnern.
    »Hat er dir jemals ein Bild seiner Schwester gezeigt?«
    »Ich habe es noch.«
    Louise glaubte, verrückt zu werden. Es gab keine Schwester, keine Felicia. Warum hatte Henrik sie erfunden?
    Sie

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