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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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stand auf. »Ich will hier nicht mehr bleiben. Ich muß etwas essen, ich muß schlafen.«
    Sie verließen das Internetcafe und gingen in der lähmenden Hitze durch die Straßen.
    »Hat Henrik Hitze vertragen?«
    »Er hat sie geliebt. Ob er sie vertragen hat, weiß ich nicht.«
    Lucinda bat sie in das enge Haus. Louise begrüßte ihre Mutter, eine gebeugte alte Frau mit starken Händen, zerfurchtem Gesicht und freundlichen Augen. Überall waren Kinder, in allen Altersstufen. Lucinda sagte etwas, und sie verschwanden sofort durch die offene Tür, in der ein Vorhang im Wind wehte.
    Lucinda verschwand hinter einem anderen Vorhang. Aus dem Raum dahinter war ein krächzendes Radio zu hören.
    Sie kam mit einem Foto in der Hand zurück. »Das habe ich von Henrik bekommen. Er und seine Schwester Felicia.«
    Louise trat mit dem Bild an ein Fenster. Es war ein Foto von Henrik und Nazrin. Sie versuchte zu verstehen, was sie vor sich sah. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf, ohne daß sie einen davon festhalten konnte. Warum hatte er das getan? Warum hatte er Lucinda vorgeschwindelt, eine Schwester zu haben?
    Sie reichte das Foto zurück. »Es ist nicht seine Schwester. Es ist eine gute Freundin.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Er hatte keine Schwester.«
    »Warum hätte er mich belügen sollen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber du kannst mir glauben. Es ist eine gute Freundin, sie heißt Nazrin.«
    Lucinda protestierte nicht mehr. Sie legte das Foto auf einen Tisch. »Ich mag keine Menschen, die lügen.«
    »Ich verstehe auch nicht, warum er es gesagt hat.«
    »Meine Mutter hat in ihrem ganzen Leben nicht gelogen. Für sie gibt es nichts anderes als die Wahrheit. Mein Vater hat sie immer belogen, entweder was Frauen anging, von denen er behauptete, sie existierten nicht, oder es ging um Geld, das er verdient, aber verloren hatte. Er hat in jeder Hinsicht gelogen, außer in einer, nämlich daß er nie zurechtgekommen wäre, wenn es sie nicht gegeben hätte. Männer lügen.«
    »Frauen auch.«
    »Frauen verteidigen sich. Männer führen auf unterschiedliche Weise Krieg gegen Frauen. Eine ihrer gewöhnlichsten Waffen ist die Lüge. Lars Häkansson wollte sogar, daß ich den Namen wechselte und Julieta wurde. Ich frage mich immer noch, was der Unterschied ist. Macht eine Julieta die Beine anders breit als ich?«
    »Ich mag es nicht, wie du von dir selbst sprichst.«
    Lucinda wurde plötzlich stumm und abweisend. Louise stand auf. Lucinda begleitete sie zum Wagen. Sie verabredeten nicht, wann sie sich wieder treffen würden.
    Louise verfuhr sich mehrmals, bevor es ihr gelang, zu Lars Häkanssons Haus zu finden. Der Wächter am Tor döste in der Hitze vor sich hin. Er sprang auf, salutierte und ließ sie ein. Celina hängte Wäsche auf. Louise sagte, sie sei hungrig. Eine Stunde später, als es auf elf Uhr zuging, hatte sie sich gewaschen und etwas gegessen. Sie legte sich in dem von der Klimaanlage gekühlten Zimmer aufs Bett und schlief ein.
    Als sie aufwachte, brach schon die Dämmerung an. Es war sechs Uhr. Sie hatte viele Stunden geschlafen. Das Laken unter ihr war feucht. Sie hatte geträumt.
    Aron hatte auf dem Gipfel eines fernen Berges gestanden. Sie selbst war in einem endlosen Hochmoor irgendwo in Härjedalen herumgestapft. Im Traum waren sie weit voneinander getrennt gewesen. Henrik hatte auf einem Stein neben einer hohen Fichte gesessen und ein Buch gelesen. Als sie ihn fragte, was er lese, hatte er ihr gezeigt, daß es ein Fotoalbum war. Sie kannte keinen der Menschen auf den Bildern.
    Louise sammelte ihre schmutzige Wäsche zusammen. Mit einem Gefühl von schlechtem Gewissen legte sie sie auf den Fußboden, um sie waschen zu lassen. Danach Öffnete sie die Tür einen Spaltbreit und lauschte. Aus der Küche waren keine Stimmen zu hören. Außer ihr schien niemand im Haus zu sein.
    Sie duschte, zog sich an und ging die Treppe hinunter. Überall war sie vom Pfeifen der Klimaanlage umgeben. Auf dem Tisch stand eine halbvolle Weinflasche. Sie füllte ein Glas und setzte sich ins Wohnzimmer. Von der Straße drang die lautstarke Unterhaltung der Wachen herein. Die Gardinen waren vorgezogen. Sie kostete den Wein und fragte sich, was in Xai-Xai geschehen war, nachdem sie es verlassen hatte. Wer hatte Umbi gefunden? Hatte jemand sie mit dem, was geschehen war, in Verbindung gebracht ? Wer war im Dunkeln verborgen gewesen?
    Es war, als würde sie erst jetzt, nachdem sie ausgeschlafen war, von Panik erfaßt. Ein Mann, der mir

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