Kennedys Hirn
andere Dinge als Kunst.«
»Worüber unterhalten Sie sich?«
»Zum Beispiel über die Tatsache, daß es in den Krankenhausbetten des Landes keine sauberen oder überhaupt keine Laken gibt. Das ist sehr bedauerlich. Noch bedauerlicher ist es, daß wir Jahr um Jahr Geld zum Kauf von Bettlaken zur Verfügung stellen, daß aber beides, Geld wie Laken, in den bodenlosen Taschen korrupter Beamter und Politiker verschwindet.«
»Warum protestieren Sie nicht dagegen?«
»Es würde nur dazu führen, daß ich meine Arbeit verliere und nach Hause geschickt werde. Ich beschreite andere Wege. Ich setze mich dafür ein, daß die Gehälter der Beamten erhöht werden - sie sind unfaßbar niedrig -, um die Motivation für Korruption zu mindern.«
»Sind nicht zwei Hände nötig, damit Korruption zustande kommt?«
»Natürlich. Es gibt viele Hände, die gern in den Millionen der Entwicklungshilfe graben möchten. Geber wie Empfänger.«
Sein Handy klingelte. Er antwortete ganz knapp auf portugiesisch und schaltete das Telefon ab. »Ich muß Sie leider auch heute abend allein lassen. Ein Empfang in der deutschen Botschaft erfordert meine Anwesenheit. Deutschland finanziert große Teile des Gesundheitswesens hier im Land.«
»Ich komme allein zurecht.«
»Aber schließen Sie hinter sich ab. Wahrscheinlich komme ich sehr spät nach Hause.«
»Warum sind Sie so zynisch? Weil Sie es nicht verhehlen, zögere ich nicht, Sie das zu fragen.«
»Der Zynismus ist ein Selbstschutz. Die Wirklichkeit erscheint durch einen solchen Filter in einem etwas milderen Licht. Sonst wäre es leicht, einfach loszulassen und alles ins Bodenlose sinken zu lassen. Viele meinen allen Ernstes, die Zukunft des afrikanischen Kontinents sei schon vorüber. Vor uns läge nur noch eine Reihe quälender Jahre für diejenigen, die das Unglück haben, hier geboren zu werden. Wer kümmert sich denn um die Zukunft dieses Kontinents? Abgesehen von denen, die eigene Interessen verfolgen, seien es südafrikanische Diamanten, angolanisches Öl oder Fußballtalente aus Nigeria.«
»Glauben Sie das?«
»Ja und nein. Ja, was die Einstellung gegenüber diesem Kontinent betrifft. Afrika ist etwas, womit man sich am liebsten nicht befaßt, weil man der Meinung ist, hier herrsche zu große Unordnung. Nein, weil es einfach nicht möglich ist, einen ganzen Kontinent mit Nichtachtung zu strafen. Im besten Fall können wir dank der Entwicklungshilfe den Kopf des Kontinents so lange über Wasser halten, bis die Afrikaner selbst Methoden finden, sich hochzuziehen. Hier, wenn irgendwo, muß das Rad neu erfunden werden.«
Er stand auf. »Ich muß mich umziehen. Aber ich setze dieses Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt gern fort. Haben Sie etwas gefunden, was Ihnen bei Ihrer Suche hilft? Oder jemanden?«
»Ich finde die ganze Zeit etwas Neues.«
Er betrachtete sie nachdenklich, nickte und verschwand ins Obergeschoß. Sie hörte, daß er duschte.
Nach einer Viertelstunde kam er wieder herunter. »Vielleicht habe ich zuviel gesagt? Zynisch bin ich kaum, aber aufrichtig. Es gibt nichts, was auf Menschen so bedrückend wirkt wie Aufrichtigkeit. Wir leben in einer Zeit der Verlogenheit.«
»Das bedeutet vielleicht, daß das Bild dieses Kontinents nicht wahr ist?«
»Hoffen wir, daß Sie recht haben.«
»Ich habe zwei Briefe gefunden, die Henrik von Ihrem Computer verschickt hat. Allerdings glaube ich, daß Sie einen der beiden geschrieben haben. Warum haben Sie das getan?«
Lars Häkansson betrachtete sie abwartend. »Warum sollte ich einen von Henriks Briefen fälschen?«
»Ich weiß es nicht. Um mich zu verwirren.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie irren sich. Wenn Henrik nicht tot wäre, würde ich Sie hinauswerfen.«
»Ich versuche nur zu verstehen.«
»Es gibt nichts zu verstehen. Ich fälsche keine Briefe. Vergessen wir es.«
Lars Häkansson ging in die Küche. Sie hörte ein Klicken, danach eine Tür, die zugemacht und verschlossen wurde. Er kam zurück und zog die Haustür zu. Der Wagen startete, das Tor Öffnete sich und schloß sich wieder. Sie war allein. Sie ging nach oben und setzte sich an den Computer, schaltete ihn aber nicht ein. Sie hatte keine Kraft.
Die Tür zu Lars Häkanssons Zimmer war angelehnt. Sie stieß sie mit dem Fuß auf. Seine Sachen lagen in einem Haufen auf dem Fußboden. Vor dem großen Bett standen ein Fernseher, ein mit Büchern und Zeitungen vollgepackter Stuhl, ein Sekretär mit einer Schreibplatte und
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