Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
nach Hause geschmuggelt, die zu den bedrohten Arten zählen und unter Naturschutz stehen. Für Menschen, die keine Skrupel kennen, bringt das ansehnliche Einkünfte mit sich. Es ist auch nicht besonders schwer. Die Haut einer Pythonschlange wiegt nicht viel. Andere Gerüchte in der inoffiziellen Vita des Herrn Häkansson berichten von illegalen Autogeschäften. Am wichtigsten ist aber, daß er ein Gut in Sörmland hat, das er sich eigentlich nicht leisten könnte. >Herrhögs herrgärd<, was vielleicht ein fast allzu treffender Name ist. Zusammenfassend würde ich Lars Häkansson als fähigen, aber eiskalten Mann charakterisieren, der in jeder
    Situation zuerst an sich selbst denkt. Aber damit steht er ja nicht allein da.«
    »Hast du noch mehr gefunden?«
    »Findest du nicht, daß das reicht? Lars Häkansson scheint eindeutig eine zwielichtige Figur zu sein, die in reichlich trüben Wassern fischt. Aber er ist ein geschickter Jongleur. Keiner hat ihn bisher von dem Seil, auf dem er balanciert, herunterfallen sehen.«
    »Hast du je von einem Mann namens Christian Holloway gehört?«
    »Arbeitet der auch für den Entwicklungsdienst?«
    »Er betreibt private Dörfer für die Pflege von Aidskranken.«
    »Das klingt sehr lobenswert. Ich kann mich nicht erinnern, seinen Namen gehört zu haben.«
    »Ist er nie in Zusammenhang mit Lars Häkansson aufgetaucht? Ich glaube, daß Häkansson diesem Mann irgendwie zugearbeitet hat.«
    »Ich werde mir den Namen merken. Wenn ich etwas erfahre, melde ich mich. Ich gebe dir meine Telefonnummer. Und ich bin gespannt darauf, von dir zu erfahren, warum du dich so für Lars Häkansson interessierst.«
    Sie schrieb die Nummer auf den Umschlag des alten Lehrbuchs.
    Sie hatte einen weiteren Keramiksplitter aus der trockenen afrikanischen Erde gegraben. Lars Häkansson, eine eiskalte Person, die zu fast allem bereit ist. Sie legte die Scherbe zu den anderen und fühlte, wie unendlich tief ihre Müdigkeit war.
    Die Dunkelheit setzte immer früher ein, in ihr und draußen.
    Doch es gab Tage, an denen ihre Kräfte zurückkehrten und ihr halfen, den Trübsinn zu vertreiben. Dann legte sie symbolisch alle ihre Puzzleteile auf den alten Eßzimmertisch und versuchte aufs neue, die Zeichen zu deuten, die sie zu der schönen Urne von einst verwandeln würden. Artur bewegte sich schweigend und auf leisen Sohlen, die Pfeife im Mund, um sie herum und stellte in regelmäßigen Abständen eine Tasse Kaffee vor sie hin. Sie begann damit, die Scherben in ein Zentrum und eine Peripherie zu ordnen. Afrika befand sich in der Mitte der Urne.
    Es gab auch einen geographischen Mittelpunkt, und das war die Stadt mit dem Namen Xai-Xai. Im Internet fand sie Informationen über die große Überschwemmung, die die Stadt einige Jahre zuvor heimgesucht hatte. Bilder eines kleinen Mädchens waren um die ganze Welt gegangen. Das Mädchen war in einer Baumkrone geboren worden, in die die Mutter geklettert war, um den steigenden Wassermassen zu entkommen.
    Doch ihre Scherben atmeten nicht Geburt und Leben. Sie waren dunkel und redeten vom Tod, von Aids, von Doktor Le-vansky und seinen Experimenten in Belgisch-Kongo. Jedesmal wenn sie an die festgeschnallten schreienden Affen dachte, die bei lebendigem Leib aufgeschnitten wurden, schauderte es sie.
    Es war wie eine beißende Kälte, und es war immer neben ihr. Hatte Henrik es auch so erlebt? Hatte er die Kälte ebenfalls gefühlt ? War ihm die Erkenntnis, daß Menschen wie Affen behandelt wurden, zu schwer geworden, um sie weiterhin zu ertragen? Hatte er sich deshalb das Leben genommen?
    Sie fing noch einmal von vorn an, streute die Teile erneut aus und versuchte zu erkennen, was sie vor sich hatte.
    Draußen verging der Herbst, und es wurde tiefer Winter.
    Donnerstag, der 16. Dezember, war ein klarer und heller Tag. Louise erwachte früh am Morgen davon, daß Artur den Schnee von der Garagenauffahrt wegschaufelte. Da klingelte das Telefon. Als sie sich meldete, konnte sie zuerst nicht verstehen, wer es war. Es rauschte im Hörer, das Gespräch kam offenbar von weit her. Konnte es Aron sein, der bei seinen roten Papageien in Australien saß?
    Dann erkannte sie Lucindas Stimme, schwach, gepreßt. »Ich bin krank. Ich werde bald sterben.« »Kann ich etwas für dich tun?« »Komm her.«
    Lucindas Stimme war jetzt kaum noch hörbar. Louise hatte das Gefühl, als wäre Lucinda im Begriff, ihr zu entgleiten.
    »Ich glaube, ich kann es jetzt sehen. Alles, was Henrik entdeckt hat.

Weitere Kostenlose Bücher