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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Komm, bevor es zu spät ist.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Louise saß aufrecht im Bett. Draußen schaufelte Artur Schnee. Sie war vollkommen starr.
    Am Samstag, dem 18. Dezember, fuhr Artur sie nach Arlanda. Am Morgen des 19. Dezember verließ sie in Maputo das Flugzeug.
    Die Hitze schlug ihr entgegen wie eine glühende Faust.
    M it Hilfe eines Taxifahrers, der kein Englisch sprach, suchte sie Luandas Haus. Als sie schließlich dort ankam, war Lucinda nicht da. Ihre Mutter begann zu weinen, als sie Louise erblickte. Louise dachte, daß sie trotz allem zu spät gekommen wäre.
    Eine Schwester Lucindas trat vor und redete in einem eigentümlichen, aber doch verständlichen Englisch. »Lucinda ist nicht tot, sie ist nur fort. Sie wurde plötzlich krank, konnte nicht mehr aufstehen. In nur wenigen Wochen hat sie stark abgenommen.«
    Louise war unsicher, ob sie richtig verstand. Das Englisch der Schwester wurde von Minute zu Minute schlechter, es war, als ginge eine Batterie zu Ende.
    »Lucinda hat gesagt, Donna Louisa würde bestimmt herkommen und nach ihr fragen. Wir sollten Donna Louisa ausrichten, daß sie nach Xai-Xai gefahren ist, um Hilfe zu bekommen.«
    »Hat sie das gesagt? Daß ich kommen würde?«
    Das Gespräch wurde vor dem Haus geführt. Die Sonne stand senkrecht über ihren Köpfen. Louise wurde übel von der Hitze, der schwedische Winter steckte noch in ihr. In Xai-Xai würde Lucinda Hilfe bekommen. Louise zweifelte nicht an dem, was Lucinda am Telefon gesagt hatte: es konnte bald zu spät sein.
    Der Taxifahrer, der sie vom Flugplatz hergebracht hatte, wartete. Jetzt saß er im Schatten seines Wagens auf dem Boden und hörte dem laut aufgedrehten Autoradio zu. Louise nahm die Schwester mit und bat sie, dem Fahrer zu erklären, daß sie nach Xai-Xai gefahren werden wollte. Als der Fahrer verstand, seufzte er bekümmert. Doch Louise blieb hartnäckig. Sie wollte nach Xai-Xai, und zwar jetzt. Er nannte seinen Preis, und Louise Heß es sich übersetzen, eine unfaßbare Anzahl Millionen Meticais. Sie schlug vor, die Fahrt in Dollar zu bezahlen, was den Fahrer sogleich gnädiger stimmte. Schließlich einigten sie sich über den Preis, plus Benzinkosten plus alles, was sonst noch für die Fahrt nach Xai-Xai erforderlich zu sein schien. Louise hatte sich gemerkt, daß es 190 Kilometer waren. In der Vorstellungswelt des Taxifahrers schien es, als bereitete er eine Expedition in ein fernes und unbekanntes Land vor.
    »Frage ihn, ob er schon einmal in Xai-Xai war?«
    Der Taxifahrer schüttelte den Kopf.
    »Sage ihm, daß ich schon da war. Ich finde den Weg. Frage ihn, wie er heißt.«
    Außer daß er Gilberto hieß, erfuhr sie noch, daß er Frau und sechs Kinder hatte und an den katholischen Gott glaubte. Im Taxi hatte sie ein verblichenes Farbfoto des immer schwächer werdenden Papstes gesehen, das mit Stecknadeln an der Sonnenblende befestigt war.
    »Sage ihm, daß ich ausruhen muß. Er soll nicht während der ganzen Fahrt reden.«
    Gilberto nahm die Nachricht entgegen wie ein zusätzliches Trinkgeld und schloß schweigend hinter ihr die Tür, nachdem sie sich auf die Rückbank gesetzt hatte. Das letzte, was Louise von Lucindas Familie sah, war das verzweifelte Gesicht der Mutter.
    Am späten Nachmittag erreichten sie Xai-Xai, nachdem ein platter Reifen gewechselt und der Auspuff festgebunden worden war. Gilberto hatte während der gesamten Fahrt kein Wort gesprochen, dafür aber nach und nach die Musik aus dem Autoradio lauter gestellt. Louise versuchte, sich auszuruhen. Sie wußte nicht, was sie erwartete, aber in jedem Fall würde sie ihre Kräfte brauchen.
    Die Erinnerung an das, was Umbi geschehen war, verließ sie nicht. Mehrmals während der Fahrt war sie kurz davor, Gilberto zu bitten, anzuhalten und umzukehren. Mit Mühe hielt sie ihre latente Panik in Schach. Sie hatte das Gefühl, auf geradem Weg in eine Falle zu laufen, die zuschnappen und sich nie wieder öffnen würde. Gleichzeitig hörte sie ständig Lucindas Worte am Telefon: »Ich werde bald sterben.«
    Kurz bevor sie die Brücke über den Fluß erreichten, löste sich das Foto des Papstes und fiel auf den Boden zwischen die Sitze. Gilberto hielt an und steckte es wieder fest. Louises Irritation wuchs. Hatte er nicht verstanden, daß die Zeit knapp war?
    Sie fuhren durch die staubige Stadt. Louise hatte noch nicht entschieden, was sie tun wollte. Sollte sie zu Christian Hollo-ways Dorf hinausfahren und dort aussteigen? Oder sollte sie am

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