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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zu suchen, aber sie tat es mit immer weniger Hoffnung. Die ganze Zeit war Artur um sie, bereit, ihr zuzuhören, bereit, ihr zu helfen.
    An manchen Abenden führten sie lange Gespräche. Meistens drehte es sich um alltägliche Dinge, um das Wetter, Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Manchmal versuchte sie, verschiedene Hypothesen mit ihm durchzuspielen. Konnte es auf diese Art und Weise zugegangen sein? Er hörte zu, aber sie merkte an ihren eigenen Worten, daß sie wieder in einer Sackgasse gelandet war.
    Eines Nachmittags klingelte das Telefon. Der Mann, der mit ihr sprechen wollte, hieß Jan Lagergren. Sie hatte seine Stimme seit vielen Jahren nicht gehört. Sie hatten zur gleichen Zeit in Uppsala studiert, aber ganz unterschiedliche Zukunftspläne verfolgt. Vorübergehend hatten sie sich füreinander interessiert, doch daraus hatte sich nie etwas entwickelt. Das einzige, was sie über ihn wußte, war, daß sein Ehrgeiz auf eine Stellung im Staatsdienst gerichtet war, die ihn ins Ausland bringen würde.
    Nach all diesen Jahren war seine Stimme eigentümlich unverändert. »Es ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich erhielt einen Brief von einer meiner zahllosen Tanten, die zufällig dort oben in Härjedalen lebt. Sie behauptet, sie habe dich eines Tages in Sveg auf dem Friedhof gesehen. Gott weiß, woher sie wußte, daß ich dich kenne. Sie hat mir erzählt, daß du kürzlich deinen Sohn verloren hast. Ich wollte nur anrufen und dir mein Beileid aussprechen.«
    »Es ist seltsam, deine Stimme wieder zu hören. Du klingst wie immer.«
    »Dennoch ist alles verändert. Ich habe noch meine Stimme. Und ein paar Büschel Haare auf dem Kopf. Sonst ist nichts mehr, wie es war.« »Vielen Dank, daß du anrufst. Henrik war mein einziger Sohn.«
    »War es ein Unfall?«
    »Die Ärzte sagen, es sei Selbstmord gewesen. Ich weigere mich, das zu glauben. Aber vielleicht mache ich mir etwas vor.«
    »Was kann ich dazu sagen?«
    »Du hast schon getan, was du tun kannst, du hast mich angerufen. Laß uns noch eine Weile reden, wir haben ja seit fünfundzwanzig Jahren nicht miteinander gesprochen. Was ist aus deinem Leben geworden? Hast du im Außenministerium angefangen?«
    »Ich bin fast hineingekommen. Zeitweilig hatte ich einen Diplomatenpaß. Ich war auf einem Auslandsposten, aber im Entwicklungsdienst.«
    »Ich bin gerade aus Afrika zurückgekommen. Mozam-bique.«
    »Dahin habe ich nie einen Fuß gesetzt. Ich habe eine Amtszeit in Addis Abeba verbracht und eine zweite in Nairobi. Die erste als Sachbearbeiter für die Landwirtschaftshilfe, die zweite in Nairobi als Chef des gesamten Hilfsprogramms für Kenia. Im Moment bin ich Abteilungsleiter auf Sveavägen hier in Stockholm. Und du bist Archäologin geworden?«
    »In Griechenland. Hast du im Entwicklungsdienst jemals Kontakt mit einem Mann namens Lars Hakansson gehabt?«
    »Ich bin ihm hier und da begegnet. Wir haben ein paar Worte gewechselt. Aber wir hatten nie ernstlich miteinander zu tun. Warum fragst du?«
    »Er arbeitet in Maputo. Für das Gesundheitsministerium.«
    »Ich hoffe, er ist ein guter Mann.«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, so gefiel er mir überhaupt nicht.«
    »Dann ist es ja ein Glück, daß ich ihn nicht als meinen besten Freund präsentiert habe.«
    »Kann ich dich etwas fragen? Gibt es Gerüchte über ihn? Was für ein Bild haben die Leute von ihm? Ich möchte das wissen, weil er meinen Sohn kannte. Eigentlich schäme ich mich, dich so etwas zu fragen.«
    »Ich will sehen, was ich ausgraben kann. Natürlich ohne zu verraten, wer es wissen möchte.«
    »Ist dein Leben sonst so verlaufen, wie du es dir vorgestellt hast?«
    »Kaum. Aber bei wem tut es das schon. Ich rufe wieder an, wenn ich etwas zu berichten habe.«
    Zwei Tage später, als Louise in einem ihrer alten Lehrbücher der Archäologie blätterte, klingelte das Telefon.
    Jedesmal hoffte sie, es sei Aron. Aber diesmal war es wieder Jan Lagergren. »Deine Intuition scheint in Ordnung zu sein. Ich habe mich ein wenig unter Leuten umgehört, die unterscheiden können, was bösartige Verleumdung und Neid sind und was der Wahrheit entspricht. Lars Häkansson hat wohl nicht besonders viele Freunde. Er gilt als hochnäsig und arrogant. Niemand bezweifelt, daß er fähig ist und seinen Aufgaben ordentlich nachkommt. Aber eine ganz reine Weste scheint er nicht zu haben.«
    »Was hat er getan?«
    »Dem Gerücht zufolge hat er im Schutz seiner diplomatischen Immunität eine Anzahl Häute von Großwild und Echsen

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