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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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öligem Werkzeug. Eine löchrige Hundedecke lag noch im Kofferraum. Langsam fuhr Louise durch die Finnenwälder; in der Nähe der Grenze zu Dalarna meinte sie, auf einem Kahlschlag einen Elch zu sehen. Sie erreichte Stockholm am späten Nachmittag. Sie war einige Male in der Kälte auf den glatten Straßen ins Rutschen gekommen, hatte versucht, sich aufs Fahren zu konzentrieren, und gedacht, daß sie Henrik dies schuldig war: Sie mußte am Leben bleiben. Niemand sonst würde herausfinden können, was wirklich geschehen war. Sein Tod verlangte, daß sie sich am Leben erhielt.
    Sie nahm in einem Hotel am Slussen ein viel zu teures Zimmer. Den Wagen stellte sie in einer Tiefgarage ab. In der Dämmerung kehrte sie in die Tavastgata zurück. Um sich zu stärken, hatte sie den Whisky angebrochen, den sie auf dem Flugplatz von Athen gekauft hatte.
    Wie Aron, dachte sie. Es war mir immer zuwider, wenn er direkt aus der Flasche trank. Jetzt tue ich das gleiche.
    Sie öffnete die Tür. Die Polizei hatte sie nicht versiegelt.
    Unter dem Briefschlitz lagen einige Reklamebroschüren, aber keine Briefe. Nur eine Ansichtskarte von einem Menschen namens Vilgot, der begeistert die Steinmauern in Irland beschrieb. Die Karte war grün und zeigte einen Hang, der zu einem grauen Meer hin abfiel, aber merkwürdigerweise ohne Steinmauern. Sie stand reglos im Flur und hielt den Atem an, bis sie die Panik und den Impuls wegzulaufen unter Kontrolle hatte. Dann hängte sie den Mantel auf und zog die Schuhe aus. Langsam ging sie durch die Wohnung. Die Bettlaken waren fort. Als sie in den Flur zurückkam, setzte sie sich auf den Schemel beim Telefon. Der Anrufbeantworter blinkte. Sie drückte auf die Wiedergabetaste. Zuerst wollte jemand, der Hans hieß, wissen, ob Henrik Zeit hätte, mit ihm ins Ethnographische Museum zu gehen und eine Ausstellung mit peruanischen Mumien anzusehen. Dann kam ein Klicken, ein Anrufer, der keine Nachricht hinterließ. Das Band lief weiter. Jetzt war sie es, die von Mitsos' Haus aus anrief. Sie hörte ihre eigene Freude auf das Wiedersehen, aus dem nichts wurde. Dann war sie es noch einmal, diesmal aus Visby. Sie drückte auf die Rücklauftaste und hörte das Band noch einmal ab. Zuerst Hans, dann ein Unbekannter, danach sie selbst. Sie blieb am Telefon sitzen. Die Anzeige hatte aufgehört zu blinken. Statt dessen hatte in ihr etwas zu blinken begonnen, ein Warnsignal ähnlich dem am Anrufbeantworter, das dann blinkte, wenn Nachrichten eingegangen waren. Bei ihr war eine Nachricht eingegangen. Sie hielt den Atem an und versuchte, den Gedanken festzuhalten. Daß ein Mensch anruft, sein Atemgeräusch hinterläßt und dann auflegt, ohne eine Nachricht aufs Band zu sprechen, geschieht ständig, sie tat es zuweilen selbst, sicher auch Henrik. Was ihre Aufmerksamkeit weckte, waren ihre eigenen Anrufe. Hatte Henrik sie überhaupt gehört?
    Auf einmal wußte sie es. Er hatte sie nicht abgehört. Die Signale waren ungehört verhallt.
    Sie bekam Angst. Aber sie brauchte jetzt alle ihre Kräfte, um nach einer Spur zu suchen. Henrik mußte ihr etwas hinterlassen haben. Sie ging in das Zimmer, das ihm als Arbeitsraum gedient hatte und in dem auch eine Musikanlage und sein Fernseher standen. Sie stellte sich in die Mitte des Zimmers und sah sich langsam um.
    Nichts schien zu fehlen. Es ist zu ordentlich, dachte sie. Henrik hat nicht aufgeräumt. Wir haben uns manchmal darüber gestritten, was pedantisch war und was nicht. Sie ging noch einmal durch die Wohnung. Hatte die Polizei aufgeräumt? Sie mußte das wissen. Sie suchte die Telefonnummer, die Göran Vrede ihr gegeben hatte, und hatte Glück, er nahm ab. Sie konnte hören, daß er beschäftigt war, und stellte nur die Frage nach dem Aufräumen.
    »Wir räumen nicht auf«, sagte Göran Vrede. »Aber natürlich versuchen wir, das, was wir eventuell durcheinandergebracht haben, wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Die Laken aus seinem Bett sind verschwunden.«
    »Dafür sind wir nicht verantwortlich. Es gab keinen Grund, etwas mitzunehmen, weil kein Verdacht auf ein Verbrechen vorliegt.«
    Er entschuldigte sich, daß er es eilig habe, und nannte ihr eine Zeit, zu der sie ihn am folgenden Tag anrufen könne. Sie betrachtete erneut das Zimmer. Dann untersuchte sie den Wäschekorb im Badezimmer. Es waren keine Laken darin, nur eine Jeans. Sie durchsuchte methodisch die Wohnung. Aber sie fand keine benutzten Laken. Sie setzte sich auf seine Couch und betrachtete den Raum aus einer

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