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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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feuchten Wärme durch die langen Gänge mit braungelben Teppichen, die nur zu neuen entfernten Terminals zu führen schienen.
    Bei einem Laden, in dem es Notizbücher gab, blieb sie stehen und kaufte einen Kalender mit gestickten Vögeln auf dem violetten Umschlag. Das Mädchen, bei dem sie bezahlte, lächelte sie mit freundlichen Augen an. Sofort füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie drehte sich rasch um und ging davon.
    Auf dem Weg zurück fürchtete sie, von Panik befallen zu werden. Sie ging dicht an den Wanden entlang, erhöhte ihr Tempo und versuchte, sich auf ihr Atmen zu konzentrieren. Sie war überzeugt davon, daß ihr jeden Augenblick schwarz vor Augen werden und sie umfallen würde. Aber sie wollte nicht auf diesem braungelben Teppich aufwachen. Sie wollte nicht fallen. Nicht jetzt, wo sie den wichtigen Entschluß gefaßt hatte, Aron zu suchen.
    Kurz nach zwei Uhr in der Nacht hob die Maschine nach Sydney ab. Louise hatte schon in Frankfurt jeglichen Überblick über die Zeitzonen verloren, durch die sie fliegen würde. Sie reiste im Zustand der Gewichtslosigkeit wie der Zeitlosigkeit. Vielleicht war das genau die richtige Art und Weise, sich Aron zu nähern? In den Jahren, in denen sie zusammengelebt hatten, besaß er die eigentümliche Fähigkeit, zu merken, wenn sie auf dem Weg nach Hause war, wenn sie sich ihm näherte. War sie gelegentlich verbittert gewesen über etwas, was er gesagt oder getan hatte, dachte sie stets, daß es ihr nie gelingen würde, ihn zu überraschen, wenn er ihr untreu wäre.
    Sie saß auf einem Gangplatz, 26 D. Neben ihr schlief ein freundlicher Mann, der sich als pensionierter Oberst der australischen Luftwaffe vorgestellt hatte. Er hatte nicht versucht, Konversation zu treiben, und sie war ihm dafür dankbar. Sie saß in der verdunkelten Kabine und nahm die Wassergläser entgegen, die die schweigenden Stewardessen in regelmäßigen Abständen auf Tabletts herbeitrugen. Auf der anderen Seite des Gangs saß eine Frau in ihrem Alter und hörte eins der Radioprogramme.
    Sie nahm den kurz zuvor gekauften Kalender hervor, knipste ihre Leselampe an, suchte einen Stift und begann zu schreiben.
    Rote Erde. Das waren die ersten Worte. Warum tauchten gerade sie in ihrem Bewußtsein auf? Waren sie ihr wichtigster Leitfaden? Die entscheidende Scherbe, um die herum sich die anderen Fragmente zu gegebener Zeit gruppieren konnten?
    In Gedanken blätterte sie die Erinnerungsbücher der toten oder sterbenden Frauen durch.
    Wie kam es, daß Henrik diese Hefte hatte? Er war kein Kind, das eine Erinnerung an seine Eltern nötig hatte. Er wußte zwar nicht alles, aber doch viel über seine Mutter. Und mit Aron hatte er auf jeden Fall regelmäßig Kontakt, auch wenn Aron meistens abwesend war. Woher hatte er diese Hefte? Wer hatte sie ihm gegeben?
    Sie notierte eine Frage. » Woher kommt die rote Erde?« Weiter kam sie nicht. Sie steckte den Kalender weg, löschte die Leselampe und schloß die Augen. Ich brauche Aron, um zu denken. In seinen besten Stunden war er nicht nur ein guter Liebhaber, sondern er beherrschte auch die Kunst des Zuhörens. Er war eines dieser seltenen Wesen, die Rat erteilen konnten, ohne darauf zu schielen, welche Vorteile ihnen daraus erwuchsen.
    Sie schlug im Dunkeln die Augen auf. Vielleicht war das die Seite von Aron und ihrem gemeinsamen Leben, die sie am stärksten vermißte? Der zuhörende und manchmal unermeß-lieh kluge Mann, in den sie sich verliebt und mit dem sie einen Sohn hatte?
    Das ist der Aron, den ich suche, dachte sie. Ohne seine Hilfe werde ich nie verstehen, was geschehen ist. Ohne seine Unterstützung werde ich nie zu meinem eigenen Leben zurückfinden.
    Den Rest der Nacht schlummerte sie in ihrem Sitz, suchte zuweilen zwischen den Radioprogrammen, war aber unzufrieden damit, weil die Musik überhaupt nicht zum nächtlichen Dunkel zu passen schien. Ich befinde mich in einem Käfig, dachte sie. Einem Käfig mit dünnen Wänden, die dennoch der starken Kälte und der hohen Geschwindigkeit standhalten. In diesem Käfig werde ich auf einen Kontinent geschleudert, den zu besuchen ich mir nie vorgestellt hätte. Einen Kontinent, nach dem ich mich nie gesehnt habe.
    Einige Stunden vor der Landung in Sydney beschlich sie das Gefühl, daß ihr auf dem Flughafen Frankfurt gefaßter Beschluß sinnlos sei. Sie würde Aron niemals finden. Einsam am Rand der Welt würde sie nur von Anfällen von Trauer und von zunehmender Verzweiflung befallen werden.
    Aber sie

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