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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sei.
    Als sie das Zimmer verlassen wollte, um Kaffee zu trinken, sah sie, daß Aron seinen Zimmerschlüssel auf dem Tisch liegengelassen hatte.
    In der Zeit, als ich mißtrauisch war und glaubte, er sei mir untreu, in den Jahren, bevor unsere Ehe scheiterte, durchsuchte ich heimlich seine Taschen. Ich blätterte seinen Kalender durch, versuchte stets die erste zu sein, wenn die Post kam. Damals hätte ich den Schlüssel genommen und seine Tür auf -geschlossen.
    Sie schämte sich hei dem Gedanken. In Australien, im Haus mit den roten Papageien, hatte sie nie das Gefühl gehabt, es gebe eine Frau in Arons Leben, eine, die er verbarg, weil sie gekommen war. Auch wenn es eine andere Frau gegeben hätte, wäre es nicht ihre Angelegenheit gewesen. Die Liebe, die sie einst für ihn empfunden hatte, konnte nicht mehr ausgegraben und restauriert werden.
    Sie trank Kaffee und machte einen Spaziergang. Sie dachte, daß sie in Griechenland anrufen und mit ihren Kollegen reden müßte. Aber was sollte sie sagen?
    Sie blieb auf dem Bürgersteig stehen und dachte plötzlich, daß sie vielleicht nie wieder nach Griechenland zurückkehren würde, um dort zu arbeiten, nur für ein paar Tage, um ihre Siebensachen zu holen und das Haus hinter sich zuzumachen. Die Zukunft war vollkommen offen. Sie drehte um und ging zum Hotel zurück. Ein Zimmermädchen war gerade dabei, ihr Zimmer zu machen. Louise wartete in der Empfangshalle. Eine schöne Frau streichelte einen Hund, ein Mann las mit einem Vergrößerungsglas Zeitung. Sie ging wieder in ihr Zimmer. Der Schlüssel lag noch auf dem Tisch. Aron war noch nicht zurückgekommen. Sie sah ihn vor sich, in einer Kirche, eine Kerze in der Hand.
    Ich weiß nichts von seiner Trauer, nichts von seinem Schmerz. Eines Tages wird er sich in einen Vulkanausbruch verwandeln. Die heiße Lava, die sich aufgestaut hat, wird durch Risse in seinem Körper nach außen drängen. Er wird als feuerspeiender Drache sterben.
    Wieder wählte sie Arturs Nummer. Diesmal meldete er sich. Es war Schnee gefallen in der Nacht. Artur liebte Schnee, er gab ihm Geborgenheit, das wußte sie. Sie erzählte, daß sie mit Aron in Barcelona sei und daß sie eine Wohnung gefunden hätten, die Henrik gehörte, von der sie vorher nichts gewußt hatten. Doch sie sagte nichts davon, daß er HIV-infiziert gewesen war. Sie wußte nicht, wie Artur darauf reagieren würde. Das Gespräch war kurz, Artur telefonierte nicht gern. Er hielt den Hörer stets ein Stück vom Ohr weg, und das zwang sie zu rufen.
    Sie beendete das Gespräch und rief in Griechenland an. Sie hatte Glück und bekam den Kollegen aus Uppsala an den Apparat, der für sie eingesprungen war und die Grabungsleitung übernommen hatte. Louise fragte nach der Arbeit und erfuhr, daß die Grabungen dieses Herbstes in der letzten Phase waren. Alles verlief plangemäß. Sie hatte sich vorgenommen, sehr deutlich zu sein, was ihre eigene Rolle betraf. Sie wußte nicht, wann sie die Leitung wieder übernehmen konnte. Zur Zeit spielte das keine so große Rolle, es war die Wintersaison, und die Feldarbeit würde ruhen. Was danach käme, im nächsten Jahr, und ob die neuen Mittel bewilligt würden, wußte niemand.
    Das Gespräch wurde unterbrochen. Als sie versuchte, erneut anzurufen, hörte sie eine Frauenstimme, die griechisch sprach. Louise wußte, daß es eine Aufforderung war, es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen.
    Sie legte sich aufs Bett und schlief ein. Als sie wach wurde, war es halb eins. Aron war immer noch nicht zurückgekommen.
    Zum ersten Mal verspürte sie eine vage Unruhe. Vier Stunden, um Kaffee zu trinken und eine Kerze anzuzünden? Hatte er sich abgesetzt? Konnte er nicht mehr? Würde sie wieder ein halbes Jahr warten müssen, bevor er sie betrunken und weinerlich von irgendeinem Punkt der Erde aus anrief? Sie nahm den Schlüssel und ging in sein Zimmer. Der Koffer lag geöffnet auf der Kofferablage. Nachlässig eingepackte Kleidungsstücke, ein Rasierapparat in einem löchrigen Futteral. Sie fühlte mit der Hand zwischen die Kleidungsstücke. In einem Innenfach aus Plastik fand sie eine sehr große Geldsumme. Sie steckte das Geld in ihre eigene Brieftasche, damit es nicht verschwand. Auf dem Boden des Koffers lag ein Buch, in dem Bill Gates über Computer und die Zukunft philosophierte. Sie blätterte darin und sah, daß Aron gewisse Abschnitte angestrichen und Notizen an den Rand geschrieben hatte. Wie Henrik, dachte sie. Darin glichen sie

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