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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Sohn am Kreuz. Magdalena mit abgewandtem Gesicht. Vom Himmel ein Licht, das in Blau schimmerte.
    Einen Himmel kann man malen. Aber keine Welle.
    Bianca wandte sich zu Louise um. »Sie erkennt ihn. Er war gestern hier.«
    »Fragen Sie, wann.«
    Fragen und Antworten, Bianca, die Frau, Louise.
    »Sie erinnert sich nicht mehr.«
    »Sie muß sich erinnern. Bezahlen Sie sie dafür, daß sie sich erinnert!«
    »Ich glaube nicht, daß sie Geld will.«
    Louise sah ein, daß sie Bianca und damit zugleich alle katalanischen Frauen gekränkt hatte. Aber im Moment war das unwichtig. Sie bestand darauf, daß Bianca die Frage wiederholte.
    Bianca sagte: »Vielleicht zwischen ein und zwei Uhr. Pater Ramon war kurz zuvor vorbeigekommen und hatte erzählt, daß sein Bruder sich das Bein gebrochen hatte.«
    »Was tat der Mann auf dem Foto, nachdem er eingetreten war?«
    »Er setzte sich in die erste Bankreihe.«
    »Hat er eine Kerze angezündet?«
    »Das hat sie nicht beobachtet. Er sah die Fenster an. Und seine Hände. Oder er saß mit geschlossenen Augen da. Sie hat nur kurz ein paarmal zu ihm hingesehen. Wie man Menschen ansieht, die man eigentlich nicht sieht.«
    »Fragen Sie sie, ob noch jemand in der Kirche war. Ist er allein gekommen?«
    »Sie weiß nicht, ob er allein war. Aber es saß niemand neben ihm in der Bank.«
    »Kam jemand herein, während er da war?«
    »Nur die beiden Schwestern Perez, die jeden Tag kommen. Sie zünden Kerzen für ihre Eltern an und gehen sofort wieder.«
    »Sonst niemand?«
    »Sie kann sich jedenfalls nicht erinnern.«
    Obwohl Louise das Katalanisch der staubwischenden Frau nicht verstand, ahnte sie eine Unsicherheit in ihrer Stimme.
    »Fragen Sie sie noch einmal. Erklären Sie ihr, daß es sehr wichtig für mich ist, daß sie sich erinnert. Sagen Sie ihr, daß es mit meinem toten Sohn zu tun hat.«
    Bianca schüttelte den Kopf. »Das ist unnötig. Sie antwortet trotzdem, so gut sie kann.«
    Die Frau schlug mit dem Staubwedel an ihr Bein, ohne noch mehr zu sagen.
    »Kann sie zeigen, wo Aron gesessen hat?«
    Die Frau schien verwundert zu sein, aber sie zeigte auf die Bank. Louise setzte sich. »Wo war sie?«
    Die Frau zeigte auf den Altar und dann auf einen Gewölbebogen. Louise drehte sich um. Von ihrem Platz aus konnte sie nur eine Hälfte der Eingangstür sehen. Sie war immer noch angelehnt. Jemand hätte eintreten können, ohne daß Aron es gehört hätte. Aber es hätte auch jemand draußen warten können.
    »Wann ist er gegangen?«
    »Das weiß sie nicht. Sie war zwischendurch weg, um einen neuen Staubwedel zu holen.«
    »Wie lange war sie fort?«
    »Vielleicht zehn Minuten.«
    »Und als sie zurückkam, war er weg?«
    »Ja.«
    Louise war der Meinung, etwas sehr Wichtiges erfahren zu haben. Aron hatte keine Spuren hinterlassen, weil er nicht ahnte, daß etwas passieren würde. Und es war etwas passiert.
    »Danken Sie ihr, und sagen Sie ihr, daß sie mir sehr geholfen hat.«
    Sie gingen zu Biancas Wohnung zurück. Louise versuchte, einen Entschluß zu fassen. Sollte sie sagen, daß sie Bianca der Lüge verdächtigte, als sie sie gefragt hatte, ob Henrik Besuch gehabt habe? Oder sollte sie behutsam vorgehen, bis Bianca aus freien Stücken die Wahrheit sagte? Hatte Bianca Angst? Oder gab es andere Gründe?
    Sie setzten sich in Biancas Wohnzimmer.
    »Ich will ganz ehrlich sein. Aron ist verschwunden, und ich befürchte, daß ihm etwas zugestoßen ist.«
    »Was sollte ihm zugestoßen sein?«
    »Ich weiß es nicht. Aber Henrik ist keines natürlichen Todes gestorben. Vielleicht wußte er etwas, was er nicht hätte wissen sollen.«
    »Was hätte das sein sollen?«
    »Ich weiß es nicht. Wissen Sie etwas?«
    »Er hat mir nie erzählt, womit er sich beschäftigte.«
    »Beim letzten Mal sagten Sie, er habe von seinen Zeitungsartikeln gesprochen. Hat er sie Ihnen gezeigt?«
    »Nie.«
    Wieder nahm Louise eine schwache Veränderung in ihrer Stimme wahr. Bianca hatte überlegt, bevor sie antwortete.
    »Niemals?«
    »Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern.«
    »Und Ihr Gedächtnis ist gut?«
    »Nicht schlechter als das anderer Menschen, nehme ich an.«
    »Ich würde gern auf etwas zurückkommen, worauf Sie schon geantwortet haben. Nur um zu kontrollieren, ob ich richtig verstanden habe.«
    »Meine Arbeit wartet.«
    »Es wird schnell gehen. Sie sagten, in der letzten Zeit sei niemand dagewesen, um Henrik zu besuchen.«
    »Das haben Sie richtig verstanden.«
    »Kann ihn jemand aufgesucht haben, ohne daß Sie es

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