Kennen Wir Uns Nicht?
Gavin, ihrem Chef, mal meinen Lebenslauf zeigen ... und das war‘s schon. Ich hatte einen neuen Job.
Seit wir zusammenarbeiten, sind Fi und ich sogar noch enger verbunden. Wir machen gemeinsam Mittag, wir gehen am Wochenende ins Kino, wir schicken einander SMS, während Gavin versucht, uns eine Standpauke zu halten. Carolyn und Debs stehen mir auch sehr nah, aber Fi ist diejenige, die ich zuerst anrufe, wenn es was Neues gibt, an die ich denke, wenn was Komisches passiert.
Deshalb ist es auch so merkwürdig, dass sie sich nicht meldet. Ich habe sie schon mehrfach angesimst, seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich habe zwei Nachrichten auf ihrer Mailbox hinterlassen. Ich habe ein paar lustige E-Mails geschrieben und ihr sogar eine Karte geschickt, um mich für die Blumen zu bedanken. Aber ich habe noch keine Antwort bekommen. Vielleicht hat sie zu tun, sage ich mir dauernd. Oder sie ist irgendwo auf einem Fortbildungsseminar oder sie hat Grippe ... Es gibt Millionen gute Gründe.
Egal. Heute gehe ich ins Büro, und da treffe ich sie dann sowieso. Und die anderen auch.
Ich betrachte mich im großen Spiegel in meinem Ankleidezimmer. Die 2004er Lexi ging noch mit schwarzen Hosen von Next, einer Bluse aus der Grabbelkiste bei New Look und abgelatschten Slippern ins Büro.
Jetzt nicht mehr. Ich stecke in der bestgebügelten klassischen Business-Bluse, die ich je anhatte, von Prada natürlich. Ich trage ein schwarzes, tailliertes Kostüm mit engem Rock. Meine Beine schimmern in hauchfeinen Charnos-Strumpfhosen. Meine Lackschuhe sind spitz, und mein Haar ist zu einem Nackenknoten gebunden, meinem Erkennungszeichen. Ich sehe aus wie eine Illustration aus einem Kinderbuch. Lady Boss.
Eric kommt herein, und ich tanze eine Pirouette.
»Wie seh ich aus?«
»Großartig!« Er nickt, aber mein Anblick scheint ihn nicht zu überraschen. Für ihn ist dieser Aufzug offenbar ganz normal. Für mich hingegen wird es wohl immer eine Verkleidung bleiben.
»Alles bereit?«
»Glaub schon!« Ich schnappe mir meine schwarze Bottega Veneta-Tasche, die im Schrank stand.
Gestern habe ich versucht, Eric über Fi auszufragen, aber anscheinend kennt er sie gar nicht, und dabei ist sie meine älteste Freundin und war sogar auf unserer Hochzeit. Von meinen Freundinnen scheint er überhaupt nur Rosalie zu kennen, was wohl daran liegt, dass sie mit Clive verheiratet ist.
Egal. Macht nichts. Heute treffe ich Fi. Es wird schon irgendeine Erklärung geben, und dann kommt alles wieder ins Lot. Wahrscheinlich gehen wir in der Mittagspause alle zusammen was trinken und erzählen uns den neuesten Tratsch.
»Hier, vergiss das nicht!« Eric öffnet einen Schrank in der Ecke. Er holt eine elegante, schwarze Aktenmappe hervor und gibt sie mir. »Die habe ich dir zur Hochzeit geschenkt.«
»Wow, ist die hübsch!« Sie ist aus butterweichem Kalbsleder, mit geprägten Initialen: L. G.
»Ich weiß, dass du bei der Arbeit immer noch deinen Mädchennamen verwendest«, sagt Eric, »aber ich wollte, dass du ein kleines Stück von mir mit ins Büro nimmst.«
Er ist so romantisch. Er ist so perfekt.
»Ich muss gehen. In fünf Minuten kommt der Wagen und holt dich ab. Amüsier dich gut.« Er gibt mir einen Kuss und geht hinaus.
Als ich höre, wie die Haustür ins Schloss fällt, betrachte ich meine Aktenmappe und frage mich, was ich hineintun soll. Ich habe noch nie eine Aktenmappe benutzt. Ich habe immer alles einfach in meine Tasche gestopft. Schließlich lege ich ein Päckchen Taschentücher und Pfefferminzbonbons in die Mappe. Dann nehme ich noch einen Kuli dazu. Ich komme mir vor, als würde ich den Ranzen für meinen ersten Tag in der neuen Schule packen. Als ich den Kuli in eine seidene Innentasche stecke, komme ich mit dem Finger gegen etwas Flaches, und hole es hervor.
Es ist ein altes Foto von Fi, Debs, Carolyn und mir. Noch mit meiner alten Frisur. Als ich noch Frettchenzähne hatte. Wir sitzen in einer Bar, aufgerüscht in Glitzertops, mit rosigen Wangen und bunten Luftschlangen über unseren Köpfen. Fi hat ihren Arm um meinen Hals gelegt, zwischen meinen Zähnen klemmt ein Cocktailschirmchen, und wir lachen uns gerade schlapp. Unwillkürlich muss ich grinsen.
Ich kann mich an den Abend noch sehr genau erinnern. Debs hatte ihren fürchterlichen Banker-Freund zum Mond geschossen, und wir wollten ihr helfen, ihn zu vergessen. Im Laufe des Abends rief dieser Mitchell irgendwann auf Debs Handy an, Carolyn ging ran und gab sich als
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