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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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russisches Callgirl aus, das ihn für einen Freier hielt. Carolyn hatte Russisch in der Schule und war daher ziemlich überzeugend. Mitchell ist voll darauf reingefallen, auch wenn er es hinterher nicht zugeben wollte. Wir haben alle mitgehört, und ich dachte, ich müsste sterben vor Lachen.
    Lächelnd stecke ich das Foto wieder in die kleine Seitentasche und klappe die Aktenmappe zu. Ich nehme sie in die Hand und betrachte mich im Spiegel. Lady Boss geht zur Arbeit.
    »Hi«, sage ich zu meinem Spiegelbild und versuche, wie eine Managerin zu klingen. »Hallo. Lexi Smart, Abteilungsleitung Bodenbeläge. Ja, genau, ich bin die Chefin.«
    Oh, Gott. Ich fühle mich nicht wie eine Chefin. Na ja, vielleicht kommt es wieder, wenn ich erst da bin.
    Deller Carpets ist eine Firma, die durch ihre Fernsehwerbung in den Achtzigern bekannt wurde. Die Erste zeigte eine Frau, die auf einem blau gemusterten Teppich im Laden lag und so tat, als sei er so weich und anschmiegsam, dass sie sofort und auf der Stelle mit dem spießigen Verkäufer Sex haben wollte. Dann kam die Fortsetzung, in der sie den spießigen Verkäufer heiratete und den ganzen Hausflur mit blumigem Teppichflor von Deller auslegen ließ. Und dann kriegten sie Zwillinge, die nur schlafen konnten, wenn ihre Gitterbettchen mit blauem beziehungsweise pinkem Teppich ausgelegt waren.
    Die Werbung war eher geschmacklos, aber Deller Carpets wurde dadurch zu einem Begriff. Was aber andererseits auch das Problem ist. Vor einigen Jahren wollte die Firma ihren Namen ändern, in einfach nur Deller. Es gab ein neues Logo und ein neues Unternehmensprofil und alles was dazugehört. Aber kein Mensch nimmt es zur Kenntnis. Sagt man, man arbeitet bei Deller, sehen einen die Leute fragend an und sagen: »Sie meinen Deller Carpets?«
    Was absurd ist, nachdem der Teppichverkauf inzwischen nur noch einen geringen Teil des Firmenumsatzes ausmacht. Vor etwa zehn Jahren hat die Kundendienstabteilung damit begonnen, einen Teppichreiniger ins Programm aufzunehmen, den man per Post bestellen konnte und der sich unerhörter Nachfrage erfreute. Sie erweiterten die Palette der Reinigungsprodukte und -geräte, und jetzt ist das Versandgeschäft riesig. Ebenso das mit Vorhang- und Gardinenstoffen. Die armen Teppiche blieben dabei auf der Strecke. Das Problem ist, dass Teppichböden heutzutage einfach nicht mehr cool sind. Alle wollen Schiefer oder Laminat. Wir verkaufen zwar auch Laminat, aber darauf kommt keiner, wenn er den Namen Deller Carpets hört. Es ist ein Teufelskreis.
    Ich weiß, Teppichböden sind uncool. Ich weiß, gemusterte Teppichböden sind sogar noch uncooler. Aber insgeheim mag ich sie wirklich gern. Besonders das alte Design aus den Siebzigern. Ich habe ein altes Musterbuch auf meinem Schreibtisch, in dem ich immer herumblättere, wenn ich mal wieder eines dieser endlos langweiligen Telefonate fuhren muss. Und einmal habe ich im Lager eine ganze Kiste voll alter Teppichmuster gefunden. Keiner wollte sie haben, also habe ich sie mit ins Büro genommen und neben meinem Schreibtisch an die Wand gepinnt.
    Ich meine: neben meinen alten Schreibtisch. Ich schätze, man hat mich wohl befördert. Als ich auf das vertraute Gebäude an der Victoria Palace Road zusteuere, spüre ich ein leichtes Kribbeln im Magen. Es sieht so aus wie immer: ein hoher, hellgrauer Block mit Granitsäulen am Eingang. Ich drücke die Glastüren zum Empfang auf... und bleibe stehen, bass erstaunt. Das Foyer hat sich verändert. Es sieht richtig cool aus! Sie haben den Schreibtisch versetzt und gläserne Raumteiler eingebaut, wo früher eine Wand war ... und der Bodenbelag ist aus hochwertigem Vinyl - in Blaumetallic. Das muss ein ganz neues Produkt sein.
    »Lexi!« Eine stämmige Frau in pinkfarbener Bluse und knallenger schwarzer Hose kommt auf mich zugeeilt. Sie hat Strähnchen im Haar und trägt purpurroten Lippenstift und Pumps und heißt ... ich kenne sie ... die Personalchefin ...
    »Dana.« Erleichtert seufze ich den Namen. »Hi.«
    »Lexi.« Sie schüttelt mir die Hand. »Herzlich willkommen! Sie Ärmste! Wir waren alle so schockiert, als wir gehört haben, was passiert ist...«
    »Es geht mir gut, danke. Schon viel besser.« Ich folge ihr über den glänzenden Boden, bekomme einen Security-Pass und ziehe ihn durch das Lesegerät an der Sicherheitsschleuse. Auch das ist alles neu. Früher gab es hier keine Schleuse, nur einen Pförtner namens Reg.
    »Gut! Also, hier entlang ...« Dana geht voraus. »Ich

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