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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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sprachlos.
    »Ich wollte den Riss mit dem Kissen kaschieren.« Ich schlucke. »Damit man ihn nicht gleich sieht.«
    Einige endlose Augenblicke lang starrt Gianna mich nur an. Flehend starre ich zurück, kann kaum atmen. Dann verzieht sich ihre ernste Miene zu einem Lächeln. Sie legt das Kissen beiseite und tätschelt meinen Arm.
    »Ich werde es stopfen. Mit kleinen Stichen. Er wird nichts merken.«
    »Wirklich?« Mir fällt ein Stein vom Herzen. »Oh, Gott sei Dank! Das wäre ja wundervoll. Ich wäre Ihnen so dankbar!«
    Gianna mustert mich, die Arme vor der Brust verschränkt. »Sind Sie wirklich sicher, dass nichts Ernstes passiert ist, als Sie sich den Kopf gestoßen haben?«, sagt sie schließlich. »Vielleicht eine ... Persönlichkeitstransplantation?«
    »Wie bitte?« Ich lache unsicher. »Ich hoffe nicht ...« Es klingelt an der Tür. »Oh. Da gehe ich lieber mal hin.« Ich laufe zur Wohnungstür und nehme den Hörer ab. »Hallo?«
    »Hallo?«, höre ich eine sonore Stimme. »Fahrzeugauslieferung für Gardiner.«
    Mein neues Auto steht vor dem Haus, auf einem Parkplatz, der nach Aussage des Portiers mir ganz allein gehört. Es ist ein silberner Mercedes, nach dem Stern am Kühler zu urteilen. Und es ist ein Cabrio. Viel mehr kann ich dazu gar nicht sagen, nur dass der Wagen vermutlich ein Vermögen gekostet hat.
    »Unterschreiben Sie hier ... und hier ...« Der Neuwagenauslieferungsmensch hält mir ein Klemmbrett hin.
    »Okay.« Ich kritzle irgendwas aufs Papier.
    »Hier sind Ihre Schlüssel ... Steuerplakette ... Papiere ... Viel Spaß damit.« Der Typ nimmt mir den Kuli aus der Hand und spaziert durchs Tor hinaus, lässt mich mit dem Auto, einem ganzen Stapel Unterlagen und den Autoschlüsseln zurück. Ich lasse sie von meinem Zeigefinger baumeln und spüre eine gewisse Erregung.
    Mit Autos konnte ich noch nie was anfangen.
    Aber andererseits habe ich auch noch nie vor einem funkelnagelneuen Mercedes gestanden. Einem nagelneuen Mercedes, der mir ganz allein gehört.
    Vielleicht sollte ich ihn mir mal von innen ansehen. Instinktiv richte ich den Schlüsselanhänger auf die Tür und drücke den kleinen Knopf... und zucke zusammen, als der Wagen piept und alle Lichter angehen.
    Okay. Das habe ich offenbar schon mal gemacht. Ich öffne die Tür, lasse mich auf den Fahrersitz gleiten und atme tief ein.
    Wow. Also, das ist ein Auto! Das schlägt Loser Daves verbeulten Renault um Längen. Es duftet betörend nach neuem Leder. Die Sitze sind breit und bequem. Das Armaturenbrett ist aus Holz. Vorsichtig lege ich meine Hände auf das Lenkrad. Sie scheinen wie selbstverständlich danach zu greifen. Es ist, als gehörten sie dorthin. Ich möchte sie gar nicht mehr wegnehmen.
    So sitze ich eine Weile da und sehe, wie das Tor auf- und zugeht, als ein BMW hinausfährt.
    Wenn ich es recht bedenke ... ich kann ja fahren. Irgendwann muss ich den Führerschein schließlich gemacht haben, auch wenn ich mich nicht daran erinnere.
    Und es ist so ein cooles Auto! Es wäre doch eine Schande, es nicht wenigstens mal auszuprobieren.
    Versuchsweise stecke ich den Schlüssel in den Schlitz neben dem Lenkrad. Er passt! Ich drehe ihn um, wie ich es schon oft genug gesehen habe, und irgendwas kreischt los. Scheiße. Was hab ich gemacht? Ich drehe ihn noch mal, vorsichtiger, und diesmal kreischt nichts, aber am Armaturenbrett gehen ein paar Lämpchen an.
    Und jetzt? In der Hoffnung auf eine Eingebung suche ich die Lämpchen ab, aber bei mir klingelt nichts. Die Wahrheit ist schlicht: Ich habe keine Ahnung, wie man dieses Ding bedient. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in meinem Leben ein Auto gefahren zu haben.
    Aber schließlich und endlich ... ich habe es doch schon mal getan! Es müsste sein wie das Gehen auf hohen Absätzen. So was verlernt man nicht. Ich muss nur meinen Körper machen lassen. Ich muss mich nur genügend ablenken. Dann werde ich bestimmt feststellen, dass ich ganz von selbst fahre.
    Ich nehme das Lenkrad in die Hand. Los geht‘s. Denk an was anderes. La la la. Denk nicht ans Fahren. Lass deinen Körper einfach tun, was ihm so einfallt. Vielleicht sollte ich ein Lied singen. Das hat schon mal geklappt.
    »Landofhope andgloreee«, summe ich ohne Melodie, »mother ofthefreeee...«
    Jippie! Es funktioniert. Meine Hände und Füße bewegen sich synchron. Ich wage gar nicht, hinzusehen. Ich traue mich nicht, darüber nachzudenken, was sie tun. Ich weiß nur, dass ich den Motor angemacht und auf ein Pedal getreten

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