Kennen Wir Uns Nicht?
habe und es irgendwie gerumpelt hat und ... ich hab‘s geschafft! Ich hab den Wagen angemacht!
Ich höre den Motor brummen, als wollte er gleich loslegen. Okay. Ganz ruhig. Ich hole tief Luft und spüre leise Panik in mir aufsteigen. Ich sitze am Lenkrad von einem Mercedes, mit laufendem Motor, und ich bin mir nicht mal sicher, wie es so weit gekommen ist.
Okay. Reiß dich zusammen, Lexi.
Handbremse. Kenn ich. Vorsichtig löse ich sie. Dann bewege ich den Ganghebel ... und sofort setzt sich der Wagen in Bewegung.
Hektisch stampfe ich auf irgendein Pedal, um den Wagen anzuhalten, und er bockt mit ominösem Knirschen. Mist. Das klang nicht so gut. Ich lasse das Pedal los, und der Wagen rollt wieder an. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich will. Ich versuche, die Ruhe zu bewahren und trete wahllos auf die Pedale. Doch diesmal hält er nicht an, sondern fährt unaufhaltsam immer weiter. Ich trete wieder zu, und der Motor brüllt auf wie bei einem Rennwagen.
»Sch-scheiße!« Ich fang schon fast an zu stottern. »Okay, halt ... an! Bleib stehen!« Ich rücke vom Lenkrad ab, aber es macht keinen Unterschied. Ich weiß nicht, wie man mit diesem Ding umgeht. Wir bewegen uns langsam auf einen teuer aussehenden Sportwagen zu, der gegenüber parkt, und ich habe keine Ahnung, wie man bremst. Verzweifelt trete ich mit beiden Füßen zu, treffe zwei Pedale gleichzeitig, und der Motor heult, als müsste er sterben.
Oh, Gott, oh Gott... mein Gesicht ist heiß, meine Hände schwitzen. Ich hätte nie in dieses Auto steigen sollen. Wenn ich einen Unfall baue, lässt Eric sich von mir scheiden, und ich kann es ihm nicht mal verdenken ...
»Halt!«, schreie ich.
Plötzlich kommt ein dunkelhaariger Mann in Jeans durchs Tor. Er sieht mich auf den Sportwagen zurollen, und der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben.
»Halt!«, schreit er, was ich durchs Fenster nur ganz leise hören kann.
»Ich kann nicht halten!«, schreie ich verzweifelt zurück.
»Lenken!« Er mimt das Lenkrad.
Das Lenkrad. Natürlich. Ich bin vielleicht blöd. Ich reiße es nach rechts, wobei ich mir fast die Arme auskugle, und schaffe es, den Wagen von seinem Kurs abzubringen. Allerdings halte ich jetzt frontal auf eine Mauer zu.
»Bremsen!« Der Typ rennt neben mir her. »Bremsen, Lexi!«
»Aberich ...«
»Um Gottes willen, brems doch endlich!«, schreit er.
Plötzlich fällt mir die Handbremse ein. Schnell! Ich reiße sie mit beiden Händen hoch, und bebend kommt der Wagen zum Stehen. Der Motor läuft noch, aber der Wagen steht still. Und wenigstens bin ich nirgendwo gegen gefahren.
Mein Atem geht schnell und heiser. Meine Hände klammern sich an die Handbremse. Ich werde nie wieder Auto fahren. Nie wieder.
»Alles okay?« Der Typ steht an meiner Scheibe. Langsam schaffe ich es, eine Hand von der Bremse zu lösen. Planlos drücke ich auf den Knöpfen an der Tür herum, bis die Scheibe herunterfährt. »Was ist denn passiert?«
»Ich ... hab Panik gekriegt. Ich kann eigentlich gar nicht Auto fahren. Ich dachte, ich wüsste noch, wie es geht, aber dann hab ich wohl kurz Panik bekommen ...« Ich spüre, wie ohne Vorwarnung eine Träne über mein Gesicht läuft. »Tut mir leid.« Ich schlucke. »Ich bin wohl ausgeflippt. Ich habe mein Gedächtnis verloren ...«
Ich blicke auf und sehe, dass der Typ mich anstarrt, als verstünde er kein Wort. Er hat ein unglaublich ausdrucksstarkes Gesicht. Hohe Wangenknochen, dunkelgraue Augen und geschwungene Brauen. Sein dunkelbraunes Haar ist eher verwuschelt. Er trägt ein schlichtes, graues T-Shirt über seinen Jeans und sieht etwas älter aus als ich, vielleicht Anfang dreißig.
Außerdem wirkt er ziemlich fassungslos. Was allerdings kaum überraschen kann, wenn man bedenkt, dass er gerade nichts Böses ahnend auf einen Parkplatz spaziert und dort einer Frau in die Arme gelaufen ist, die ihr Auto fast zu Schrott gefahren hätte. Und die ihm obendrein auch noch erzählt, dass sie ihr Gedächtnis verloren hätte.
Vielleicht glaubt er mir nicht, denke ich besorgt. Vielleicht denkt er, ich bin betrunken, und das ist alles nur erfunden.
»Ich hatte einen Autounfall, vor ein paar Tagen«, erkläre ich eilig. »Wirklich wahr. Ich habe mir den Kopf gestoßen - hier.« Ich deute auf die Schnitte in meinem Gesicht.
»Ich weiß, dass du einen Unfall hattest«, sagt er schließlich. Er hat eine sehr markante Stimme, irgendwie eindringlich. Als sei jedes seiner Worte wirklich, wirklich wichtig. »Ich hab
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