Kennen Wir Uns Nicht?
angetan habe, aber ganz offensichtlich hat sie keine Zeit mehr für mich.
Habe ich mich in den letzten drei Jahren tatsächlich in eine Bitch verwandelt? Aber ... wie? Und warum?
Das Wasser ist nur noch lauwarm, und schließlich steige ich aus der Wanne. Ich rubble mich kräftig ab, um etwas in Schwung zu kommen. Aber ich kann an gar nichts anderes denken. Es ist schon sechs, und in einer Stunde soll ich eine Dinnerparty geben ...
Wenigstens muss ich nicht kochen. Als ich zu Hause ankam, war Gianna bereits mit zwei ihrer Nichten in der Küche, und alle sangen zu der Oper mit, die aus den Lautsprechern tönte. Der Kühlschrank stand voller Teller mit Sushi und Cocktailhäppchen, und überall duftete es nach gebratenem Fleisch. Ich wollte mich nützlich machen (Knoblauchbrot kann ich ziemlich gut), aber sie haben mich bald verscheucht. Also kam ich zu dem Schluss, dass ich in der Wanne wahrscheinlich am wenigsten im Weg bin.
Ich hülle mich in ein frisches Handtuch und tappe ins Schlafzimmer, dann biege ich in die Kleiderkammer ab. Meine Güte. Jetzt weiß ich, warum reiche Leute so schlank sind: Sie müssen einfach die ganze Zeit in ihren riesigen Häusern umherwandern. In meiner Wohnung in Balham konnte ich vom Bett aus den Schrank erreichen. Und den Fernseher. Und den Toaster.
Ich suche mir ein kleines Schwarzes aus, dazu schwarze Unterwäsche und schwarze Satinpumps. In meiner 2007er Garderobe gibt es nichts Großes. Keine kuscheligen Pullis, keine warmen Puschen. Alles ist schmal und maßgeschneidert.
Als ich wieder ins Schlafzimmer komme, lasse ich mein Handtuch auf den Boden fallen.
»Hi, Lexi!«
»Aaaaaaah!« Ich mache vor Schreck einen Satz. Der Bildschirm am Fußende vom Bett zeigt Erics Gesicht im Großformat. Ich halte meine Hände vor die Brust und ducke mich hinter einem Stuhl.
Ich bin nackt. Und er kann mich sehen.
Du bist mit ihm verheiratet. Vergiss das nicht. Er hat dich schon nackt gesehen. Alles ist gut.
Es fühlt sich aber nicht gut an.
»Eric, kannst du mich sehen?«, frage ich mit hoher, erstickter Stimme.
»Im Moment nicht.« Er lacht. »Stell das Gerät auf >Kamera<.«
»Oh! Okay!«, sage ich erleichtert. »Kleinen Moment mal ...«
Ich werfe mir einen Bademantel über und sammle hastig die Sachen ein, die überall herumfliegen. Wenn ich etwas ziemlich schnell gelernt habe, dann dass Eric es nicht gern sieht, wenn etwas auf dem Boden liegt. Oder auf Stühlen. Oder überhaupt irgendwelche Unordnung. Ich stopfe alles so schnell wie möglich unter die Tagesdecke, drapiere ein Kissen darauf und streiche alles so glatt wie möglich.
»Fertig!« Ich gehe zum Bildschirm und stelle auf »Kamera«.
»Du musst etwas Abstand halten«, sagt Eric, und ich trete einen Schritt zurück. »Jetzt kann ich dich sehen! Also, ich hab noch eine Besprechung, dann mache ich mich auf den Weg. Ist fürs Abendessen alles vorbereitet?«
»Ich glaube schon!«
»Ausgezeichnet.« Sein pixeliger Mund zieht sich zuckend in die Breite. »Und wie war‘s bei der Arbeit?«
»Super!« Irgendwie bringe ich es fertig, fröhlich zu klingen. »Ich habe Simon Johnson getroffen und bei meiner Abteilung und meinen Freundinnen vorbeigeschaut ...«
Meine Stimme erstirbt, plötzlich trifft mich die Demütigung mit voller Wucht. Kann ich sie überhaupt noch als Freundinnen bezeichnen?
»Wunderbar.« Ob Eric mir eigentlich zugehört hat? »Jetzt solltest du dich aber wirklich langsam fertigmachen. Bis später, Liebling ...«
»Warte!«, sage ich aus einem Impuls heraus. »Eric.«
Er ist mein Mann. Ich kenne ihn vielleicht kaum, aber er kennt mich. Und er liebt mich. Wenn ich irgendwem meine Probleme anvertrauen sollte, wenn mich irgendwer beruhigen kann, dann doch wohl er.
»Leg los.« Eric nickt. Auf dem Bildschirm sind seine Bewegungen langsam, ruckartig.
»Heute ... Fi hat gesagt...« Ich schaffe es kaum, die Worte auszusprechen. »Sie hat gesagt, ich bin eine Bitch. Stimmt das?«
»Selbstverständlich bist du keine Bitch.«
»Wirklich?« Hoffnung keimt in mir auf. »Dann bin ich also keine grässliche Bossbitch aus der Hölle?«
»Liebling, nie im Leben bist du grässlich. Und auch keine Bossbitch aus der Hölle.«
Eric klingt so überzeugend, dass ich mich vor Erleichterung ein wenig entspanne. Vielleicht gibt es eine Erklärung. Vielleicht ist irgendetwas schiefgelaufen, ein Missverständnis, und bestimmt wird alles wieder ...
»Ich würde sagen, du warst ... knallhart«, fugt er hinzu.
Mein entspanntes
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