Kennen Wir Uns Nicht?
Beistelltisch, und das Licht passt sich mir an.
»Eric«, sage ich und versuche, mir meine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »Könnten wir eventuell eine Beleuchtung haben, die den ganzen Abend gleich bleibt? Ich weiß nicht, ob das möglich ist ...«
»Alles ist möglich.« Er klingt etwas gekränkt. »Wir haben immer die Wahl. Darum geht es ja beim Loft-Style Living.« Er reicht mir eine Fernbedienung. »Hier. Damit kannst du die Einstellung ändern. Such dir einfach eine Stimmung aus. Ich kümmere mich um den Wein.«
Ich gehe ins Wohnzimmer, finde »Beleuchtung« auf der Fernbedienung und fange an, mit den Einstellungen herum-zuexperimentieren. »Tageslicht« ist zu hell. »Kino« ist zu dunkel. »Relax« zu langweilig ... Ich scrolle ganz nach unten. »Lesen« ... »Disco« ...
Hey, wir haben Disco-Lights? Ich drücke auf die Fernbedienung ... und lache laut, als der Raum plötzlich von buntem, pulsierendem Licht erfüllt ist. Versuchen wir es mal mit »Stroboskop«. Gleich daraufblinkt und blitzt der ganze Raum schwarzweiß, und ich tanze begeistert wie ein Roboter um den Couchtisch. Das ist ja wie in einem Club! Wieso hat Eric mir nicht gesagt, dass wir so was haben? Vielleicht gibt es ja auch Trockeneis und eine Diskokugel ...
»Gütiger Gott, Lexi, was machst du da?« Erics Stimme schneidet durch den blitzenden Raum. »Du hast in der ganzen Wohnung Stroboskope angestellt! Gianna hätte sich eben fast den Arm abgehackt!«
»Oh, nein! Tut mir leid.« Zerknirscht suche ich nach der Fernbedienung und tippe darauf herum, bis wir wieder bei Disco sind. »Du hast mir gar nicht erzählt, dass wir Disco-Lights und Stroboskope haben! Das ist ja fantastisch!«
»Die benutzen wir nie.« Erics Gesicht leuchtet in allen Farben. »Und jetzt such uns endlich was Vernünftiges!« Er dreht sich um und verschwindet.
Wie kann man Disco-Lights haben und sie nie benutzen? Was für eine Verschwendung! Ich muss Fi und die anderen zu einer Party einladen. Wir holen uns Wein und Knabberkram und räumen alles frei und drehen voll auf...
Und dann verkrampft sich mein Herz, als es mir wieder einfallt. Daraus wird in absehbarer Zeit wohl kaum was werden. Wenn überhaupt.
Mutlos stelle ich die Beleuchtung auf »Empfangsbereich«, was nicht besser oder schlechter ist als alles andere. Ich lege die Fernbedienung weg, trete ans Fenster und werfe einen Blick auf die Straße unter mir - plötzlich fest entschlossen. Ich werde nicht aufgeben. Sie sind meine Freundinnen. Ich finde heraus, was passiert ist. Und dann werde ich mich wieder mit ihnen vertragen.
Ich hatte mir für die Dinnerparty vorgenommen, mir das Gesicht und den Namen jedes einzelnen Gastes mit Hilfe gewisser Visualisierungstechniken einzuprägen. Ein derartiger Plan wird im selben Moment null und nichtig, in dem drei von Erics Golferfreunden gleichzeitig mit identischen Anzügen, identischen Gesichtern und ihren noch identischeren Frauen eintreffen. Dann haben sie auch noch Namen wie Greg und Mick und Suki und Pooky und fangen sofort an, sich über einen Skiurlaub zu unterhalten, den wir offenbar alle gemeinsam verlebt haben.
Ich nippe an meinem Glas und lächle in die Runde, und dann treffen etwa zehn Gäste auf einmal ein ... und ich habe keine Ahnung mehr, wer wer ist - außer Rosalie, die sofort zu mir kommt, mir ihren Mann Clive vorstellt (der mir gar nicht wie ein Scheusal vorkommt, einfach ein gutmütiger Kerl im Anzug), und schon ist sie wieder weg.
Nach einer Weile summt es in meinen Ohren, und mir wird schwindlig. Gianna versorgt uns mit Getränken, ihre Nichten verteilen Cocktailhäppchen, und alles scheint in bester Ordnung. Also entschuldige ich mich bei diesem Typen mit Halbglatze, der mir gerade irgendwas von Mick Jaggers elektrischer Gitarre erzählt, die er bei einer Wohltätigkeitsauktion erstanden hat, stehe auf und steuere die Terrasse an.
Ich atme die frische Luft tief ein, bin immer noch ganz benommen. Blaugraue Dämmerung legt sich über die Stadt, und die Straßenlaternen gehen an. Als mein Blick über London schweift, ist mir so unwirklich zumute. Ich fühle mich, als würde ich nur die Rolle einer Frau spielen, die im kleinen Schwarzen auf einer schicken Dachterrasse steht, mit einem Glas Champagner in der Hand.
»Liebling! Da bist du ja!«
Ich drehe mich um und sehe Eric, der die große Glastür aufschiebt. »Hi!«, rufe ich zurück. »Ich wollte nur etwas Sauerstoff tanken.«
»Ich möchte dir gern Jon vorstellen, meinen
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