Kennwort: Schwarzer Ritter
Torres gegenüber. Er war ein großer, hagerer Mann mit den scharfen Gesichtszügen seiner aztekischen Vorfahren, und er sah ausgesprochen unfreundlich aus. Er trug einen teuren dunklen Anzug, ein weißes Hemd, das am Kragen offen stand, und einen schwarzen Mantel, den er lässig über die Schultern geworfen hatte. Zwei Leibwächter waren hinter ihm und behielten die Umgebung im Auge. Es war eine Szene wie aus dem
Paten.
„Was höre ich da, mein Neffe ist erschossen worden?“ Torres’ Stimme klang angriffslustig. „Haben Sie da etwas mit zu tun, Calhoon? Sie haben ihm zuvor nichts anlasten können, und deshalb haben Sie ihn umgebracht.“
Mitch bemühte sich, Torres’ aggressive Beschuldigung zu ignorieren. Er beobachtete einen der Sanitäter, der den schwarzen Gummisack schloss, in dem die Leiche lag. „Wann haben Sie Ihren Neffen zum letzten Mal gesehen oder gesprochen, Mr. Torres?“
„Ich habe vor ein paar Tagen mit Luther gesprochen, am Telefon. Ich weiß nicht mehr, wann ich ihn zuletzt gesehen habe. Vor einer Woche vielleicht.“ Er zog den Mantel fester um sich. „Jetzt will ich Ihnen mal eine Frage stellen. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, als Sie Luther heute Morgen verhaftet haben?“
„Luther wurde nicht verhaftet, Mr. Torres. Er wurde zur Vernehmung vorgeladen, befragt und entlassen.“
„Dazu hatten Sie kein Recht.“
„Warum machen Sie sich so viele Sorgen um Luthers Befragung? Haben Sie zufällig etwas mit dem Unfall in der U-Bahn-Station zu tun?“
„Natürlich nicht. Worauf wollen Sie denn jetzt hinaus?“
„Ach, ich weiß nicht. Ich habe nur den Eindruck, dass Sie das, was heute Nachmittag im Polizeihauptquartier passiert ist, mehr beschäftigt als der Tod Ihres Neffen.“
„Detective?“ Einer der Ermittlungsbeamten hielt ein Handy und einen Plastikbecher in der Hand. „Wir haben das Handy in seiner Tasche gefunden.“
Mitch, der sich Handschuhe übergestreift hatte, drückte die Wiederholungstaste auf dem Gerät. Die Ansage der Rechtsanwaltskanzlei Harris & Barton war zu hören. Also hatte Luther seit dem Gespräch mit seinem Rechtsanwalt niemand anderen mehr angerufen. Er nickte dem Ermittlungsbeamten zu. „Stecken Sie’s in die Tüte.“
Der Mann reichte ihm den leeren Becher. „Den haben wir in etwa 1,80 Meter Entfernung von dem Opfer gefunden. Sind noch Kaffeespuren dran. Könnte seiner gewesen sein.“
Mitch hielt den Becher an die Nase. Er roch nach Kaffee. „Nehmen Sie ihn auf jeden Fall mal mit. Sonst noch was?“
„Nur sein Ausweis, ein Schlüsselbund. Das Übliche.“
„Gut. Schreiben Sie Ihren Bericht, wenn Sie zurückkommen, und legen Sie eine Kopie auf meinen Tisch.“ Er wandte sich wieder an Torres. „Woher wussten Sie von Luthers Besuch im Polizeihauptquartier?“
„Bob Harris hat mich angerufen, bevor er hingefahren ist.“
„Sie haben es nicht von Luther erfahren?“
„Ich bin nicht sein Kindermädchen, Detective. Er ist ein erwachsener Mann. Er kann auf sich selbst aufpassen.“
„Ja …, das sehe ich.“ Aus der Ferne ertönte das Jaulen einer Sirene. „Wo waren Sie heute Abend – sagen wir zwischen halb acht und zehn Uhr?“
„Beschuldigen Sie mich, meinen eigenen Neffen getötet zu haben?“
„Beantworten Sie einfach die Frage, Mr. Torres.“
„Ich habe in meinem Restaurant gegessen – im
Ariba
, auf der 13. Straße. Mein Personal wird das bestätigen.“
Mitch notierte die Aussage in sein Buch. „Was hat Luther in der letzten Zeit so gemacht?“ fragte er, während er weiterschrieb.
„Was meinen Sie damit?“
„Ich meine …“, Mitch schaute hoch, „… hat er irgendetwas getan, was jemanden so wütend machen könnte, dass er ihn getötet hat?“
„Luther war mein Rechnungsprüfer, Detective. Er hat sich um meine Finanzen gekümmert und dafür gesorgt, dass die Rechnungen bezahlt und die Außenstände eingetrieben wurden. Ich weiß nicht, was er in seiner Freizeit gemacht hat, und mir gefällt Ihre Anspielung, dass er etwas anderes als ein ehrlicher, hart arbeitender Mann gewesen sein soll, überhaupt nicht. Also lassen Sie mich gefälligst in Ruhe und suchen Sie sich einen anderen, den Sie belästigen können.“ Er machte eine Pause. „Sonst könnten Sie ein ernsthaftes Problem mit Ihrer Gesundheit bekommen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Jetzt reichte es Mitch. Er baute sich vor Torres auf, ohne die beiden Kampfhunde zu beachten, die näher an ihren Boss herangetreten waren und sich
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