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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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so ein Thier verlassen!« rief Bruno.
    Einer nach dem Andern streichelten nun auch sie den Rücken der Ziege, die bei ihrer Berührung eben so wenig wie bei der der anderen Reisenden einen Laut von sich gab.
    Ah, es ist ja nichts mit Ihrer Ziege! rief die edle Sarabul dem Richter zu.
    – Sollte das Ganze auf einen Scherz hinauslaufen? knurrte der Seigneur Yanar. Es sollte ihm übel ablaufen, mit Kurden seinen Spaß zu treiben.
    – Geduld, antwortete der Richter, mit listigem Blinzeln die Hand erhebend; wenn die Ziege noch nicht gemeckert, so hat sie eben der Schuldige noch nicht berührt.
    – Zum Teufel, jetzt sind nur wir allein noch übrig! murmelte Van Mitten, der ohne recht zu wissen warum, doch eine gewisse Unruhe durchblicken ließ.
    – So sind wir an der Reihe, sagte Ahmet.
    – Ja… und zuerst ich!« antwortete Keraban.
    Damit schritt er an seinem Freunde und an seinem Neffen vorüber.
    »Rührt sie nicht an, gar nicht!« ermahnte er sie wiederholt mit leiser Stimme.
    Dann streckte er die Hand über die Ziege aus und stellte sich so, als ob er ihr über den Rücken streiche, krümmte dieser dabei jedoch kein Härchen.
    Die Ziege meckerte nicht.
    »Nun, das giebt die beste Hoffnung,« meinte Ahmet.
    Dem Beispiele seines Onkels folgend, berührte seine Hand kaum den Rücken der Ziege.
    Diese gab noch immer keinen Laut von sich.
    Jetzt kam die Reihe an den Holländer. Van Mitten sollte als der Letzte die von dem Richter angeordnete Probe bestehen. Er ging also auf das Thier zu, das ihn von unten her anzusehen schien; um seinem Freunde Keraban jedoch den Willen zu thun, begnügte auch er sich damit, seine Hand langsam dicht über dem Rücken der Ziege hinzuführen.
    Die Ziege meckerte nicht!
    Da schallte ein »Oh!« der Verwunderung und ein »Ah!« der Befriedigung durch den Kreis der Umstehenden.
    »Offenbar ist Ihre Ziege ein erzdummes Thier! rief Yanar mit wahrer Donnerstimme.
    – Sie hat den Schuldigen nicht erkannt! fügte die edle Kurdin hinzu, und doch ist dieser Schuldige noch hier, weil Niemand den Hofraum verlassen haben kann.
    – Hm! brummte Keraban, ist dieser Richter mit seinem albernen Thiere nicht ein recht lächerlicher Kerl?
    – Ja, wirklich! stimmte Van Mitten, über den Ausgang der Untersuchung jetzt ganz beruhigt, aufrichtig ein.
    – Arme kleine Ziege! sagte Nedjeb zu ihrer Herrin, wird sie nun Strafe bekommen, da sie nichts entdeckt hat?«
    Alle blickten jetzt auf den Richter, dessen munteres boshaftes Auge wie ein Karfunkel in der Dunkelheit glänzte.
    »Und nun, Herr Richter, begann Keraban, in etwas sarkastischem Tone, nun, da Ihre Untersuchung zu Ende ist, liegt, mein’ ich, kein weiteres Hinderniß vor, uns nach unseren Zimmern zurückzuziehen…
    – Das darf nicht geschehen! rief die Reisende erregt, nein, das darf nicht geschehen! Hier ist ein Verbrechen begangen worden…
    – O, Frau Kurdin! versetzte Keraban etwas spitzig, Sie werden anständige Leute hoffentlich nicht hindern wollen, zu schlafen, wenn sie das Bedürfniß fühlen.
    – Sie schlagen da einen Ton an, Herr Türke… rief sofort der Seigneur Yanar.
    – Den Ton, der hier ganz an seiner Stelle ist, Herr Kurde!« entgegnete der Seigneur Keraban.
    Scarpante, der schon glaubte, daß der von ihm geplante Schlag mißlungen sei, weil die Schuldigen unerkannt geblieben waren, sah mit Befriedigung, wie der Seigneur Keraban und der Seigneur Yanar mit einander in Streit geriethen. Daraus entstand vielleicht eine Verwicklung, die seinen Projecten Vorschub leistete.

    In der That wurde der Wortwechsel der beiden Männer schnell hitziger: Keraban hätte sich eher verhaften und verurtheilen, als sich das letzte Wort nehmen lassen.
    Ahmet wollte sich eben zur Unterstützung seines Onkels einmischen, als der Richter befehlerisch sagte:
    »Alle in einen Kreis stellen! Schafft Lichter her!«
    Meister Kidros, an den diese Worte gerichtet waren, beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen. Gleich darauf traten vier Diener der Karawanserai mit Fackeln ein, die den Hofraum hell erleuchteten.
    »Jeder hebe die rechte Hand empor!« fuhr der Richter fort.
    Sofort streckten sich alle rechten Hände in die Höhe.
    Am Ballen und an den Fingern waren alle schwarz, alle – mit Ausnahme des Seigneur Keraban, Ahmets und Van Mitten’s.
    Augenblicklich wies der Richter auf die drei Männer hin.
    »Da sind die Schuldigen… Da stehen sie! rief er.
    – Hm! knurrte Keraban.
    – Wir?… rief der Holländer, noch ohne zu wissen, worauf jener

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