Keraban Der Starrkopf
bald die eines Mannes beigesellte.
Völlig unklar über das, was hier vorging, wendeten sich der Seigneur Keraban, Van Mitten und Ahmet eiligst wieder nach dem Hofe der Karawanserai zurück. Sofort öffneten sich auf allen Seiten die Thüren und die Reisenden stürzten aus ihren Zimmern. Amasia und Nedjeb erschienen wieder bei dem Geräusche; Bruno und Nizib kamen von links her herein. Inmitten des Halbdunkels sah man das Schattenbild des wüthenden Yanar aufragen. Endlich stürzte aus dem Gange, in welchen der Seigneur Keraban und die Seinen so unkluger Weise eingedrungen waren, ein weibliches Wesen hervor.
»Raub!… Ueberfall!… Mord!« rief dieses Weib.
Es war die edle Sarabul, von großer kräftiger Gestalt und energischem Auftreten, mit leuchtenden Augen und lebhafter Gesichtsfarbe, schwarzem Haar und mit einem gebieterischen Zug um den Mund, zwischen dem drohend zwei Reihen blendender Zähne hervorschimmerten – mit einem Wort, der ganze Seigneur Yanar, nur in’s Weibliche übersetzt.
Offenbar wachte, um für jeden Fall vorbereitet zu sein, die Reisende in ihrem Zimmer in dem Augenblicke, wo die Eindringlinge dessen Thür aufgerissen hatten, denn sie trug noch die vollständige Bekleidung, einen »Mintan« aus Tuch mit Goldstickerei um die Aermel und die Taille, eine »Entari« aus glänzender, schräg karirrier Seide, welche mittelst eines Shawls um den Leib befestigt war, während diesem Gürtel weder ein damascirtes Pistolenpaar, noch der Yatagan in grüner Maroquinscheide fehlte; auf dem Kopfe ein weites, mit Seidentüchern von lebhafter Farbe umwundenes Fez, von dem ein langer »Puskul« wie der Klöppel einer Glocke herabhing; an den Füßen rothlederne Stiefeln, in denen der untere Theil des »Chalwar«, d. i. des Beinkleides der orientalischen Frauen, verschwand. Verschiedene Reisende haben behauptet, daß eine kurdische Frau in dieser Tracht einer Wespe ähnlich sähe. Man kann dem wohl zustimmen. Jedenfalls war die edle Sarabul nicht dazu geschaffen, eine solche Vergleichung zu entkräften, und diese Wespe mußte jedenfalls einen ganz gefährlichen Stachel besitzen.
»Was für eine Frau! sagte halblaut Van Mitten.
– Und was für ein Mann!« erwiderte der Seigneur Keraban, auf deren Bruder Yanar weisend.
Da rief dieser eben wüthend:
»Noch ein neuer Ueberfall! Alle müssen verhaftet werden!
– Verhalten wir uns stille, raunte Ahmet seinem Onkel in’s Ohr, denn ich fürchte, wir sind die unschuldige Ursache dieses ganzen Aufstandes.
– Bah, ‘s hat uns ja kein Mensch gesehen, antwortete Keraban, und Mohammed selbst würde uns nicht wieder erkennen.
– Was giebt es denn, Ahmet? fragte das junge Mädchen, die sich scheu an ihres Verlobten Seite drängte.
– Nichts, liebe Amasia, versicherte Ahmet, nichts!«
In diesem Augenblicke erschien Meister Kidros auf der Schwelle des Thores im Hintergrunde des Hofes und rief:
»Ja, Sie kommen ganz zur passenden Zeit, Herr Richter!«
Wirklich war der von Trapezunt herberufene Richter eben in der Karawanserai eingetroffen, wo er übernachten sollte, um am folgenden Morgen auf Grund der Klage jenes kurdischen Geschwisterpaares die Untersuchung vorzunehmen. Ihm folgte ein Gerichtsdiener, der auf der Schwelle stehen blieb.
»Wie, sagte er, die Schurken hätten ihr Bubenstück von vergangener Nacht erneuert?
– Es scheint so, Herr Richter, antwortete Meister Kidros.
– Man schließe alle Thüren der Karawanserai, befahl der Beamte mit ernster Stimme. Niemand darf dieselbe ohne meine Erlaubniß verlassen!«
Sein Befehl wurde ausgeführt, und alle Reisenden sahen sich nun als Gefangene, denen die Karawanserai vorläufig als Haftlocal diente.
»Und nun, Richter, sagte die edle Sarabul, verlange ich Gerechtigkeit gegen jene Uebelthäter, welche sich nicht scheuen, eine wehrlose Frau zu überfallen…
– Nicht nur eine Frau, sondern noch obendrein eine Kurdin!« setzte der Seigneur Yanar mit drohender Geberde hinzu.
Erklärlicher Weise folgte Scarpante aufmerksam dieser Scene, von der ihm nicht das Geringste entging.
Der Richter – ein verschmitzter Kerl, wenn es darauf ankam, mit zwei Augen wie Bohrlöchern, einer spitzen Nase und festgeschlossenem Munde, der unter dem buschigen Barte fast verschwand – bemühte sich, die in der Karawanserai befindlichen Personen näher zu betrachten, was bei der geringen, von der einzigen, in einer Ecke des Hofes angebrachten Laterne verbreiteten Helligkeit ein ziemlich mißliches Ding war. Nachdem er
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