Keraban Der Starrkopf
diese Behauptung stützte.
– Ja!… Diese da, fuhr der Richter fort. Ob sie nun fürchteten, von der Ziege verrathen zu werden oder nicht, macht nichts aus. Jedenfalls haben sie in ihrem Schuldbewußtsein, statt der Ziege über den mit schwarzer Farbe bestrichenen Rücken zu streichen, die Hände nur oberhalb desselben hingeführt und damit sich selbst angeklagt!«
Ein schmeichelhaftes – für den Scharfsinn des Richters höchst schmeichelhaftes – Gemurmel lief durch die Zuschauer, während der Seigneur Keraban und seine Begleiter etwas kleinmüthig die Köpfe hängen ließen.
»Das sind also, sagte der Seigneur Yanar, die drei Uebelthäter, welche vergangene Nacht sich erfrechten…
– O, unterbrach ihn Ahmet, vergangene Nacht befanden wir uns noch zehn Lieues von der Karawanserai von Rissar!
– Wer bestätigt das? erwiderte der Richter. Jedenfalls liegt die Thatsache vor, daß Sie es waren, welche versuchten, in das Zimmer dieser edlen vornehmen Reisenden einzudringen!
– Zum Kuckuck, ja, rief Keraban, wüthend, sich in einer solchen Schlinge haben fangen zu lassen, ja!… Wir sind in jenen Gang eingetreten. Doch das geschah nur aus Verwechslung der Thür – oder vielmehr in Folge des Irrthums eines der Dienstleute der Karawanserai.
– Wirklich! antwortete ironisch der Seigneur Yanar.
– Ganz gewiß! Uns war das Zimmer dieser Dame als das unsrige überwiesen worden…
– Andern überwiesen! warf der Richter ein.
– Nun ja… ertappt! sagte Bruno für sich, der Onkel, der Neffe und mein Herr obendrein!«
Trotz der gewöhnlich bewahrten würdevollen Haltung war der Seigneur Keraban jetzt doch ganz verblüfft und wurde es noch mehr, als der Richter, sich an Van Mitten, Ahmet und ihn wendend, sagte:
»Man führe sie in’s Gefängniß!
– Ja… in’s Gefängniß!« wiederholte der Seigneur Yanar.
Gleich schrien such alle Reisende, denen sich die Leute aus der Karawanserai anschlossen:
»In’s Gefängniß!… In’s Gefängniß!«
Bei der Wendung, welche die Sache jetzt nahm, konnte sich Scarpante wegen seines boshaften Streiches nur Glück wünschen. Saßen der Seigneur Keraban, Van Mitten und Ahmet hinter Schloß und Riegel, so war die Reise unterbrochen, damit die Hochzeit verzögert, vorzüglich Amasia von ihrem Verlobten getrennt, gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, unter günstigeren Verhältnissen zu handeln und das Unternehmen von vorn anzufangen, das dem maltesischen Capitän mißlungen war.
Die Folgen dieses Abenteuers erwägend, wurde Ahmet bei dem Gedanken, von Amasia getrennt zu sein, auf seinen Onkel doch wirklich etwas böse. War es nicht der Seigneur Keraban, der sie durch eine neue Halsstarrigkeit in diese üble Lage gebracht hatte?
»Ich will mit meinem Beispiele vorangehen,« erwiderte Yanar. (S. 306.)
Hatte er sie nicht abgehalten, ja, ihnen geradezu verboten, die Ziege zu streicheln, und das nur, um diesem alten Richter, der sich weit listiger als er erwiesen, einen Streich zu spielen? Wessen Fehler war es, daß sie sich in dieser, ihrer Einfalt gestellten Schlinge gefangen hatten und jetzt bedroht waren, wenigstens für einige Tage in’s Gefängniß zu wandern?
Auch der Seigneur Keraban grollte natürlich innerlich bei dem Gedanken an die kurze Zeit, die er zur Vollendung seiner Reise noch übrig hatte, wenn er am bestimmten Termine in Scutari eintreffen wollte, während doch, wenn er noch einmal irgendwie den Kopf aufsetzte, seinem Neffen ein ganzes Vermögen verloren gehen konnte.
Van Mitten lugte einmal nach rechts und einmal nach links, balancirte, sehr besorgt um seine eigene Haut, von einem Beine zum andern, und wagte kaum die Augen gegen Bruno aufzuschlagen, der ihm immer die unheildrohenden Worte zu wiederholen schien:
»Sagt’ ich’s nicht vorher, Mynheer, daß Ihnen früher oder später noch ein Unglück zustoßen würde?«
Dagegen wendete er sich an Keraban mit dem höflichen und doch verdienten Vorwurfe:
»Warum überredeten Sie uns aber auch, nicht mit der Hand über den Rücken jenes unschuldigen Thieres zu streichen?«
Zum ersten Male in seinem Leben wußte Keraban unmöglich eine Antwort zu geben.
Inzwischen schallten die Rufe »In’s Gefängniß!« immer dringender, und natürlich genirte sich Scarpante gar nicht, womöglich noch lauter dabei einzustimmen.
»In’s Gefängniß… In’s Gefängniß!« (S. 311.)
»Ja, in’s Gefängniß mit den Verbrechern! wiederholte der racheschnaubende Yanar, im Nothfalle
Weitere Kostenlose Bücher