Keraban Der Starrkopf
der Brust und am Halse von weißer, an der Stirne, dem Kinn und oben längs des Rückens von schwarzer Farbe. Sie hatte sich graziös in den Sand niedergelegt und betrachtete sich verschmitzten Blickes und die kleinen Hörner hin und her bewegend die »Gesellschaft«.
»Welch hübsches Thier! rief Nedjeb.
– Aber was will der Richter damit beginnen? fragte Amasia.
– Irgend eine Hexerei, antwortete Ahmet, von der sich jene Schwachköpfe sicherlich bethören lassen.«
Das war auch die Meinung des Seigneur Keraban, der sich nicht genirte, höhnisch mit den Achseln zu zucken, während Van Mitten jene Vorbereitungen mit einer gewissen Unruhe verfolgte.
»Wie, Richter, sagte da die edle Sarabul, dieser Ziege wollen Sie es anheimgeben, die Schuldigen herauszufinden?
– Ja, eben dieser, erklärte der Richter.
– Und wird sie dieser Erwartung entsprechen?…
– Ganz gewiß!
– Wie soll das zugehen? fragte der Seigneur Yanar, der in seiner Eigenschaft als Kurde geneigt war, Allem zuzustimmen, was einen Anstrich von Aberglauben hatte.
– O, höchst einfach, antwortete der Richter. Alle hier anwesenden Reisenden werden Einer nach dem Andern über den Rücken meiner Ziege streichen, welche, sobald sie die Hand des Schuldigen fühlt, das durch vernehmbares Meckern zu erkennen geben wird.
– Der gute Mann ist weiter nichts als ein Jahrmarkts-Taschenspieler! murmelte Keraban.
– Aber, Richter, niemals… bemerkte die edle Sarabul, niemals wird doch ein einfältiges Thier…
– Sie werden’s ja sehen!
– Und warum nicht?… meinte der Seigneur Yanar. Auf die Gefahr hin, selbst des Attentates angeklagt zu werden, will ich mit meinem Beispiele vorangehen und die Probe zu machen beginnen.«
Damit näherte sich Yanar der Ziege, welche unbeweglich liegen blieb und strich ihr mit der Hand über die ganze Länge des Rückens.
Die Ziege blieb stumm.
»Nun die Andern!« sagte der Richter.
Einer nach dem Andern ahmten die im Hofe der Karawanserai vereinigten Reisenden Yanar nach und streichelten den Rücken des Thieres; jedenfalls waren diese aber nicht schuldig, denn die Ziege ließ dabei kein anklagendes Meckern hören.
Achtes Capitel.
Welches vorzüglich für Freund Van Mitten in sehr unerwarteter Weise endigt.
Während diese Probe ihren Fortgang nahm, hatte Keraban seinen Freund Van Mitten und Ahmet beiseite gezogen. Hier sprachen die Drei kurze Zeit mit einander, wobei der unverbesserliche Mann, uneingedenk seiner guten Vorsätze nicht mehr seinen Kopf aufzusetzen, sich bemühte, den Andern seine Anschauungsweise und sein Verhalten als allein richtig aufzudrängen.
»Wahrlich, liebe Freunde, sagte er, dieser Hexenmeister scheint mir der allereinfältigste Schwachkopf zu sein.
– Warum? fragte der Holländer.
– Weil nichts den oder die Schuldigen – zum Beispiel uns – hindert, die Ziege nur scheinbar zu streicheln, indem wir mit der Hand längs ihres Rückens hingleiten, ohne diesen im Mindesten zu berühren. Wenigstens hätte der Richter diese alberne Probe bei voller Beleuchtung vornehmen sollen, um jede Ueberlistung auszuschließen. Aber im Dunklen… das ist gar zu dumm!
– Ja, wirklich, stimmte Van Mitten bei.
– Ich werd’s wenigstens so machen, fuhr Keraban fort, und ich kann Euch nur ernstlich rathen, dasselbe zu thun.
– O, lieber Onkel, bemerkte Ahmet, Du weißt doch ganz gut, daß dieses Thier, ob man ihm nun über den Rücken streicht oder nicht, bei einem Unschuldigen ebenso meckern kann, wie bei dem Schuldigen.
– Natürlich, Ahmet, doch da dieser Kauz von Richter so beschränkt ist, in solcher Weise eine Untersuchung vorzunehmen, bilde ich mir ein, weniger einfältig zu sein und werde sein Thier nicht anrühren. Euch aber bitte ich, desgleichen zu thun.
– Aber, lieber Onkel…
– Ich verbitte mir jede Einwendung, unterbrach Keraban, schon etwas warm werdend, seinen unschlüssigen Neffen.
– Indessen… wendete der Holländer ein.
– Van Mitten, wenn Sie so naiv wären, über den Rücken jener Ziege hinzustreicheln, könnt’ ich Ihnen das nimmer verzeihen!
– Gut; ich werde, um Ihnen gefällig zu sein, sie nicht streicheln, Freund Keraban!… Uebrigens ist nicht viel dabei, da man es im Finstern so wie so nicht sehen kann.«
Die meisten Reisenden hatten inzwischen schon die Probe bestanden, ohne daß die Ziege Einen als schuldig bezeichnet hätte.
»Jetzt sind wir an der Reihe, Bruno, sagte Nizib.
– Herr Gott, sind diese Orientalen vernagelt, daß sie sich auf
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