Keraban Der Starrkopf
welche sich natürlich stets von ihm weiter entfernte, gereizte Thier sich entschloß, in der Richtung des Passes weiter zu trotten.
»Sehr sinnreich! sagte Van Mitten.
– So thun Sie desgleichen!« rief die edle Sarabul, während sie ihn hinter dem Karren mit herschleppte.
Sie war ja auch ein Köder, der immer seinen Ort veränderte, für Van Mitten freilich sehr verschieden von dem des Esels, ein Köder, den er vor Allem zu erreichen fürchtete.
Sich dicht bei einander haltend, schlugen nun Alle die nämliche Richtung ein und hatten bald den Lagerplatz verlassen, wo ihre Stellung eine unhaltbare gewesen wäre.
»Deiner Ansicht nach, Ahmet, begann Keraban, ist jener Saffar also derselbe unverschämte Kerl, dessen Starrsinn es verursachte, daß mein Reisewagen an der Eisenbahn von Poti zertrümmert wurde?
– Ja, lieber Onkel, vor Allem aber ist das der Schurke, der Amasia hatte entführen lassen, und deshalb gehört er mir!
– Halb Part, Neffe Ahmet, antwortete Keraban, und möge Allah uns seinen Beistand leihen!«
Kaum hatten Keraban und seine Begleiter auf dem engen Wege einige fünfzig Schritte zurückgelegt, als der Saum der Felsen sich mit Feinden bedeckte. Laute Rufe erschallten und von allen Seiten krachten Flintenschüsse herab.
»Rückwärts! Rückwärts!« rief Ahmet und drängte die ihm Nachfolgenden nach dem Lagerplatz zurück.
Es war zu spät, aus der Schlucht von Nerissa zu entkommen, zu spät, um auf höherem Terrain eine bessere Vertheidigungsstelle zu suchen. Die in Saffar’s Sold stehenden Räuber, etwa zwölf an der Zahl, hatten sie schon überfallen. Ihr Anführer trieb sie noch zu dem verbrecherischen Angriffe, und in der Stellung, welche sie einnahmen, war der Vortheil gänzlich auf ihrer Seite.
Das Schicksal des Seigneur Keraban und seiner Begleiter schien also ganz ihrer Gnade anheimgegeben
»Hierher! Hierher! rief Ahmet, dessen Stimme den Lärm übertönte.
– Die Frauen in die Mitte!« setzte Keraban hinzu.
Amasia, Sarabul und Nedjeb drängten sich zusammen, und um sie herum reihten sich Keraban, Ahmet, Van Mitten, Yanar, Bruno und Nizib Einer an den Anderen. Sie waren sechs Mann, um der Truppe Saffar’s entgegen zu treten – Einer gegen Zwei – und außerdem noch in der unvortheilhaftesten Stellung.
Unter entsetzlichem Geschrei drangen die Räuber jetzt in den Engpaß ein und wälzten sich gleich einer Lawine gerade auf den Lagerplatz zu.
»Freunde, rief Ahmet, wir vertheidigen uns bis zum Tode!«
Augenblicklich begann der Kampf. Bruno und Nizib waren gleich anfänglich leicht verwundet worden, wichen aber nicht von der Stelle, sondern kämpften muthig weiter, ebenso wie die muthige Kurdin, deren Pistole den Gewehrschüssen der Angreifer keine Antwort schuldig blieb.
Es zeigte sich übrigens sehr bald, daß die Leute, welche Befehl hatten, sich Amasias lebend zu bemächtigen, lieber mit blanker Waffe vorgingen, um nicht durch einen Fehlschuß vielleicht gar das junge Mädchen selbst zu treffen, wodurch ja der ganze Angriff nutzlos geworden wäre.
So schwankte auch die Wage, trotz der Ueberlegenheit an Zahl, zuerst gar nicht zu ihren Gunsten, und mehrere fielen schwer verwundet zur Erde.
Da erschienen noch zwei neue, erst recht zu fürchtende Streiter auf dem Wahlplatze.
Das waren Saffar und Scarpante.
»Ah, der Elende! rief Keraban. Ja, das ist er! Das ist der Mann von der Eisenbahn!«
Mehrmals wollte er schon auf ihn anlegen, gelangte aber nicht dazu, weil er sich gegen Die, welche ihn direct angriffen, vertheidigen mußte.
Unentmuthigt leisteten Ahmet und die Seinigen Widerstand. Alle beseelte nur der eine Gedanke, um jeden Preis Amasia zu retten, und es um jeden Preis zu verhindern, daß sie in die Hände jenes Saffar fiele.
Trotz allem Muthe und aller Opferwilligkeit mußten sie aber doch bald der Ueberzahl weichen. Nach und nach singen auch Keraban and seine Gefährten an zu wanken, auseinander zu gerathen, um an der Felswand des Engpasses Deckung zu suchen. Schon entstand unter ihnen einige Verwirrung.
Saffar bemerkte das recht wohl.
»Nun thu’ Deine Schuldigkeit, Scarpante! rief er, nach dem jungen Mädchen zeigend.
– Ja, Seigneur Saffar, antwortete Scarpante, und diesmal soll sie uns nicht entwischen!«
Sich die Unordnung zu Nutze machend, gelang es Scarpante bis zu Amasia vorzudringen, welche er ergriff und schon bis nach außerhalb geschleppt hatte.
»Amasia!… Amasia!…« rief Ahmet schmerzerfüllt.
Er wollte ihr nachstürzen, aber
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