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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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erste Mal, wo ich mich entschloß ein Telegramm ohne Dein Vorwissen abzusenden, für uns eine Wohlthat gewesen ist.
    – Ja… das Schlechte hat etwas Gutes erwirkt! antwortete Keraban, mit den Achseln zuckend, doch daß ich Dich nicht wieder dabei ertappe, Herr Neffe!
    – Da ich nun, fuhr Selim fort, durch diese Depesche erfuhr, daß für Eure kleine Karawane noch nicht alles Unheil ausgeschlossen sei, bin ich nach Scutari geeilt und habe die Straße am Meeresufer verfolgt.
    – Bei Allah, Freund Selim, rief Keraban, Sie sind wahrlich zur rechten Zeit gekommen. Ohne Sie wären wir verloren gewesen!… Und doch haben sich hier Alle wie Löwen geschlagen!
    – Ja, bestätigte Seigneur Yanar, und auch meine Schwester hat bewiesen, daß sie zur Noth mit einem Pistol umzugehen weiß!
    – Welches Weib!« murmelte Van Mitten.
    Da kündigte sich eben das Morgenroth des anbrechenden Tages durch den ersten bleichen Schein an. Einige unbeweglich am Zenith stehende Wolken schmückten ihre Ränder mit der Hoffnung erweckenden Farbe.
    »Aber wo sind wir eigentlich, Freund Selim? fragte der Seigneur Keraban, und wie konnten Sie uns in einer Gegend auffinden, nach der ein Verräther unsere Karawane absichtlich mißgeführt?
    – Und wohl weit von unserem Wege abgebracht hat? fügte Ahmet hinzu.
    – O nein, lieber Freund, nein! antwortete Selim. Ihr seid auf dem richtigen Wege nach Scutari, nur wenige Lieues vom Meere entfernt.
    – Was?… rief Keraban.
    – Die Ufer des Bosporus sind dort! erklärte Selim, mit der Hand nach Nordwesten weisend.
    – Die Ufer des Bosporus?« rief auch Ahmet.
    Sofort kletterten Alle die Felsen in die Höhe und begaben sich nach einem Hochplateau über der Schlucht von Nerissa.
    »Da seht… seht!…« sagte Selim.
    In diesem Augenblicke kam nämlich eine gewisse Erscheinung zu Stande, eine Naturerscheinung, welche durch einfache Wiederspiegelung die noch fernen, so ersehnten Landschaften dem Auge sichtbar machte.
    Je heller es wurde, desto deutlicher erschienen im Bilde alle noch unterhalb des Horizonts gelegenen Gegenden. Es machte den Eindruck, als ob die Hügel, welche in einiger Entfernung die Hochebene noch begrenzten und überragten, gleich einer Theaterdecoration in die Erde versänken.
     

    Scarpante fiel, zu Tode getroffen. (S. 381.)
     
    »Das Meer!… Das ist das Meer!« jubelte Ahmet.
    Und Alle wiederholten nach ihm:
    »Das Meer!… Das Meer!«
    Und obgleich, was sie sahen, eben nur ein Spiegelbild war, so befand sich das Meer doch in der Nähe und war nur wenige Lieues entfernt.
    »Das Meer!… Das Meer!… rief der Seigneur Keraban immer wieder. Doch wenn das nicht der Bosporus und das nicht Scutari ist… wir sind nun am letzten des Monats, und…
     

    Die Villa des Seigneur Keraban. (S. 386)
     
    – Das ist der Bosporus!… Das ist Scutari!« rief Ahmet freudig.
    Die Erscheinung wurde immer deutlicher, und jetzt zeigte sich fern am Horizonte die Silhouette einer amphitheatralisch erbauten Stadt.
    »Bei Allah! Das ist Scutari, rief Keraban Da kann man es vollständig überblicken, wie es sich über der Meerenge erhebt.«
    In der That war es Scutari, welches Selim erst drei Stunden vorher verlassen hatte.
    »Nun vorwärts! Vorwärts!« drängte Keraban.
    Und wie es einem guten Muselman geziemt, der in allen Dingen die Allmacht Gottes erkennt, wendete er sein Gesicht der aufgehenden Sonne zu und rief:
    »Ilah il Allah!«
    Gleich darauf bewegte sich die kleine Karawane nach der Straße zu, welche das linke Ufer der Meerenge begleitet Vier Stunden später – am letzten für die Hochzeit Ahmets und Amasias bestimmten Tage – erschienen der Seigneur Keraban, seine Begleiter und sein Esel, nach Vollendung dieser Fahrt um das Schwarze Meer, auf den Höhen von Scutari und begrüßten jubelnd die Gestade des Bosporus.
Vierzehntes Capitel.
In welchem Van Mitten sich bemüht, die edle Sarabul über die wirkliche Sachlage aufzuklären.
    Es war eine der schönsten Lagen, die sich nur träumen lassen, in der sich, auf der Höhe des Hügels, den das Häusergewirr von Scutari einnimmt, die Villa des Seigneur Keraban erhob.
    Scutari, die asiatische Vorstadt von Constantinopel, das alte Chrysopolis, seine Moscheen mit vergoldeten Dächern, das merkwürdig bunte Bild seiner Stadtviertel, in denen sich eine Bevölkerung von 50.000 Seelen zusammendrängt, sein auf dem Wasser der Meerenge schwimmender Ausladeplatz, der ungeheure Hintergrund von Cypressen auf seinem Friedhofe, der bevorzugte Ruheplatz

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