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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auch schon morgen früh mit dem ersten Zuge über Adrianopel nach Odessa abzufahren.«
    Beide zogen sich hierauf zurück.
    Eben hatte sich Seigneur Keraban heftig erregt nach seinem Diener umgewendet.
    »Nizib! rief er.
    – Mein Herr?
    – Folge mir nach dem Comptoir.
    – Nach dem Comptoir? antwortete Nizib.
    – Und Sie auch, Van Mitten, sagte Keraban.
    – Ich?
    – Und Sie auch, Bruno.
    – Damit wir…
    – Damit wir zusammen abreisen.
    – Au! rief Bruno, die Ohren spitzend.
    – Ja. Ich habe Sie eingeladen in Scutari zu speisen, wandte Seigneur Keraban sich an Van Mitten, und, beim Barte des Propheten, Sie werden in Scutari speisen… natürlich bei unserer Rückkehr.
    – Doch das wird nicht geschehen vor… antwortete der durch diesen Vorschlag in größte Verlegenheit gesetzte Holländer.
    – Nicht vor Ablauf eines Monats, eines Jahres oder vielleicht vor zehn Jahren! antwortete Keraban in einem Tone, der keinen Widerspruch zuließ. Sie haben einmal zugesagt, bei mir zu speisen, und Sie werden an meinem Diner theilnehmen.
    – Nun, das wird Zeit genug haben kalt zu werden, murmelte Bruno.
    – Erlauben Sie, Freund Keraban…
    – Ich erlaube nichts, Van Mitten. Kommen Sie!«
    Seigneur Keraban machte einige Schritte nach rückwärts über den Platz.
    »Es ist unmöglich, diesem Teufel in Menschengestalt Widerstand zu leisten, sagte Van Mitten heimlich zu Bruno.
    – Wie, Mynheer, Sie wollten einer solchen Laune nachgeben?
    – Ob ich nun hier bin oder anderswo, Bruno, wenn ich nur nicht in Rotterdam sein muß.
    – Aber…
    – Da ich meinen Freund Keraban begleite, wirst Du schon nicht anders können, als Dich mir anzuschließen.
    – Das wird eine schöne Geschichte!
    – Vorwärts!« drängte Seigneur Keraban.
    Dann wandte er sich noch einmal an den Polizeihauptmann, dessen spöttisches Lächeln wohl dazu angethan war, ihn außer Fassung zu bringen.
    »Ich reife ab, sagte er, und trotz aller Eurer Verordnungen werd’ ich mich nach Scutari begeben, ohne den Bosporus überschritten zu haben.
    – Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihrer Heimkehr beizuwohnen, wenn Sie eine so merkwürdige Reise zurückgelegt haben, antwortete der Beamte.
    – Und mir wird es ein ganz besonderes Vergnügen sein, Sie bei meiner Heimkunft anzutreffen, erwiderte Seigneur Keraban.
    – Doch mache ich Sie darauf aufmerksam, fügte der Beamte hinzu, daß wenn diese Steuer noch in Geltung ist…
    – Nun?
    – Daß ich Sie nicht rückwärts über den Bosporus nach Constantinopel fahren lasse, ohne daß Sie für die Person zehn Paras erlegen.
    – Und wenn Ihre ungerechte Steuer noch nicht wieder aufgehoben ist, erklärte Seigneur Keraban in demselben Tone, werd’ ich schon Mittel und Wege finden, nach Constantinopel zu gelangen, ohne daß Ihnen ein Para in die Tasche fällt.«
    Mit diesen Worten nahm Seigneur Keraban seinen Freund Van Mitten am Arm und machte Bruno und Nizib ein Zeichen nachzufolgen. Dann verschwand er in der Menge, welche diesen unerschütterlichen Parteigänger der Alttürken, der seine Rechte so hartnäckig vertheidigte, mit Jubelrufen begrüßte.
    Eben dröhnte in der Entfernung ein Kanonenschuß. Die Sonne war unter dem Horizont des Marmarameeres untergegangen, das Ramadanfest war für heute vorüber, und die getreuen Unterthanen des Padischah konnten sich schadlos halten für die Entbehrungen des langen Tages.
    Plötzlich, wie durch den Zauberschlag eines Genius, verwandelte sich nun Constantinopel. Auf die Stille auf dem Top-Hane-Platz folgte lautes Jubelrufen und Hurrahgeschrei. Cigaretten, Tschibuks, Narghiles wurden in Brand gesetzt, und die Luft erfüllte sich mit wohlriechendem Dufte. Die Cafés strotzten bald von hungrigen und durstigen Gästen.
    Gebratenes aller Art, »Yaurth«, geronnene Milch, »Kaimak«, eine Art heißer Erême, »Kebab«, Lammfleisch in seinen Scheibchen, Brotkuchen von »Baklava«, die frisch aus dem Ofen kamen, mit Weinblättern umwickelte Fleischklöschen, Schüsseln voll gesottenem Mais, ganze Fässer mit Oliven, Caviartonnen, Pilaws von Huhn, in Fett gebackene kleine Kuchen mit Honig oder Syrup gefüllt, Sorbets, Eis, Kaffee, Alles, was man im Morgenlande nur zu essen und zu trinken pflegt, erschien auf den Tafeln der Läden, während kleine, an Kupferfäden hängende Lampen auf und nieder schwankten, da die Cawadjis unablässig an dieselben stießen.
    Dann erglänzte die alte wie die neue Stadt bald in magischem Lichte. Die Moscheen der heiligen Sophia, der Suleïmanieh,

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