Keraban Der Starrkopf
besser fahrbaren Wegen der Dobrudscha.
Diese Gegend gleicht einer Halbinsel, gebildet durch einen weiten Bogen der Donau, welche, nachdem sie sich erst nordwärts nach Galatz gewendet, in östlicher Richtung nach dem Schwarzen Meere zurückkehrt, in welches sie mit mehreren Armen mündet. Diese Art Isthmus, welcher diese kleine Halbinsel mit der großen der Balkanstaaten verbindet, ist umschlossen von dem, zwischen Tschernavoda und Küstendje gelegenen Landestheile, zwischen welchen sich eine kurze, höchstens fünfzehn bis sechzehn Lieues lange Eisenbahn hinzieht. Im Süden dieser Bahnlinie gleicht die Landschaft in topographischer Hinsicht übrigens fast ganz der im Norden, und man kann sagen, daß die Ebenen der Dobrudscha eigentlich schon am Fuße der letzten Vorberge des Balkans ihren Anfang nehmen.
»Das gute Land«, so nennen die Türken jene fruchtbare Gegend, in welcher Grund und Boden dem ersten Besitznehmer gehört. Dieselbe ist, wenn nicht besiedelt, so doch durchzogen von viehzuchttreibenden Tataren, und in der Nachbarschaft des Stromes von Walachen bevölkert. Das ottomanische Reich besitzt hier ein ausgedehntes Gebiet, wo kaum noch bemerkbare Thäler in dem weithin flachen Boden einsinken. Dasselbe stellt vielmehr eine Reihenfolge von Ebenen dar, die sich bis zu den, um die Donaumündungen aufsprießenden Wäldern erstrecken.
Auf diesem Boden gestatten die Straßen ohne Schluchten an der Seite, wie ohne steile Abhänge, dem Wagen ein schnelleres Vorwärtskommen. Die Postmeister hatten hier kein Recht zu schimpfen, wenn sie ihre Pferde einspannen sahen, und wenn sie es thaten, geschah es nur, um nicht aus der Uebung zu kommen.
Man kam also rasch und bequem vorwärts. An jenem Tage, dem 21. August, wurden in Kostidcha einmal die Pferde gewechselt und erreichte der Wagen gegen Abend Bazardjik.
Hier entschied sich Seigneur Keraban zu übernachten, um Allen die höchst nöthige Ruhe zu gönnen, was ihm Bruno – der aus Klugheit freilich darüber schwieg – wirklich Dank wußte.
Am nächsten Tage mit dem ersten Morgenroth rollte die mit frischen Pferden versehene Chaise in der Richtung des Karasusees hin, einer geräumigen Bodensenkung, deren aus Grundquellen sich nährender Inhalt bei niedrigem Wasserstande der Donau in diese abfließt. In zwölf Stunden wurden etwa vierundzwanzig Lieues zurückgelegt, und gegen 8 Uhr Abends trafen die Reisenden bei der Bahnlinie von Küstendje nach Tschernawoda, an der Station Medjidieh ein, einer ganz neuen Stadt, welche jedoch schon zwanzigtausend Seelen zählt und sich schnell noch weiter zu entwickeln verspricht.
Hier konnte Seigneur Keraban zu seinem großen Mißvergnügen nicht sogleich das Geleise überschreiten, um nach dem zum Nachtquartier ausersehenen Khan zu kommen. Ein Zug auf der Bahnlinie sperrte den Weg, und er mußte eine gute Viertelstunde auf das Freiwerden desselben warten.
Das entlockte ihm eine Fluth von Klagen und Wuthausbrüchen über die Eisenbahnverwaltungen, welche sich Alles gestatten zu dürfen glauben, nicht nur diejenigen Fahrgäste zu zermalmen, welche dumm genug waren, sich ihnen anzuvertrauen, sondern auch die aufzuhalten, welche sich hüteten, in ihren Dampfwägen Platz zu nehmen.
»Mir, sagte er zu Van Mitten, wird wenigstens niemals ein Eisenbahnunfall zustoßen.
– Das weiß man nicht, erwiderte – vielleicht etwas unkluger Weise – der würdige Holländer.
– Ich weiß es aber!« versetzte Seigneur Keraban in einem Tone, der jede weitere Verhandlung abschnitt.
Endlich verließ der Zug die Station Medjidieh, die Schlagbäume öffneten sich, der Wagen rollte weiter, und die Reisenden erholten sich in dem recht behaglich eingerichteten Khan dieser Stadt, die ihren Namen zu Ehren des Sultans Abdul-Medjid erhielt.
Am folgenden Tage erreichten die Reisenden ohne Unfall, durch eine gänzlich wüste Ebene fahrend, Babagagh, aber so spät, daß es rathsamer schien, gleich die Nacht hindurch weiter zu fahren. Nachmittag gegen fünf Uhr hielt man dann in Tultscha, einer der bedeutendsten Städte des früheren Fürstenthumes Moldau an.
In dieser, zwischen dreißig-und vierzigtausend Bewohner zählenden Stadt, wo sich Tscherkessen, Nogaïs, Perser, Kurden und Türken mit Bulgaren, Rumänen, Griechen, Armeniern und Juden mischen, konnte Seigneur Keraban nicht in Verlegenheit kommen, ein einigermaßen anständiges Gasthaus zu finden. Das war denn auch der Fall. Van Mitten erübrigte, mit Erlaubniß seines Begleiters, die nöthige
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