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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Pfunde bei dem Banquier Selim auswechseln, da ihn der Weg jedenfalls über Odessa führte.
    Die Vorbereitungen waren schnell beendigt. Im Kutschkasten befand sich Ueberfluß an Proviant. Einige Waffen wurden in das Coupé mitgenommen, denn man wußte ja nicht, was passiren konnte, und mußte für jeden Fall vorbereitet sein. Natürlich vergaß Seigneur Keraban auch nicht zwei Narghiles, das eine für sich, das andere für Van Mitten, als die für einen Türken und noch dazu für einen Tabakshändler unentbehrlichsten Utensilien.
    Die Pferde waren noch am nämlichen Abende bestellt worden und sollten mit dem Morgenrothe da sein. Von Mitternacht bis zum Tagesanbruch waren nur noch wenige Stunden übrig, welche zunächst zu einer Mahlzeit und dann zum Ausruhen verwendet wurden. Als Seigneur Keraban am folgenden Morgen zum Aufstehen rief, sprangen Alle aus den Betten und zogen die Reisekleidung an.
    Der Wagen stand schon angespannt und beladen, der Postillon saß im Sattel und erwartete nur noch die Fahrgäste.
    Seigneur Keraban wiederholte seinen Leuten seine letzten Anordnungen – dann konnte die Reise fortgehen.
    Van Mitten, Bruno und Nizib warteten schweigend in dem großen Hofe des Comptoirs.
    »Es ist also abgemacht?« sagte zum letzten Male Van Mitten zu seinem Freunde Keraban.
    Statt jeder Antwort wies dieser nach dem Wagen, dessen Thür schon offen stand.
    Van Mitten verneigte sich, bestieg den Wagentritt und setzte sich im Coupé zur Linken nieder. Seigneur Keraban nahm neben ihm Platz. Nizib und Bruno erkletterten das Cabriolet.
    »Ah, mein Brief!« rief Keraban noch in dem Augenblicke, als die Equipage schon den Hof seines Geschäftshauses verlassen sollte.
    Er ließ das Thürfenster nieder und reichte einem seiner Leute einen Brief, den er demselben noch am heutigen Morgen zur Post zu befördern befahl.
    Dieser Brief war an den Koch der Villa in Scutari gerichtet und enthielt nur die Worte:
    »Das Abendessen erst bei meiner Rückkehr. Aendern Sie den Speisezettel: Geronnene Milch; Lammkeule mit Gewürz; nicht zu scharf gebraten.«
    Dann setzte sich der Wagen in Bewegung, rollte die Gassen der Vorstadt hinunter, passirte das Goldene Horn auf der Brücke der Sultanin Valide und verließ die Stadt durch die »Jeni-Kapussi«, das Neue Thor.
    Der Seigneur Keraban ist abgereist! Möge Allah ihn in seinen Schutz nehmen!
Fußnoten
    1 Das türkische Pfund ist eine Goldmünze im Werthe von 18 Mark 50 Pfennig, und etwa gleich mit hundert Piastern, welche je 18 Pfennige werthen.
     

Sechstes Capitel.
In welchem die Reisenden, vorzüglich im Donau-Delta, auf einige Schwierigkeiten stoßen.
    In administrativer Hinsicht ist die europäische Türkei eingetheilt in »Vilajets«, d. s. Gouvernements, Regierungsbezirke, denen ein »Vali«, etwa ein General-Gouverneur, vorsteht, der direct vom Sultan ernannt wird. Diese Vilajets zerfallen in »Sandjaks«, oder Kreise, unter der Verwaltung eines »Mustesaris«; die Sandjaks wieder in »Kazas« oder Gerichtsbezirke mit einem »Caïmacan«, etwa einem Amtmann an der Spitze; die letzteren Landestheile endlich in »Nahiës«, das sind Gemeinden unter einem »Mudir« oder selbstgewählten Vorstande. Diese Eintheilung gleicht also fast gänzlich der der meisten civilisirten Staaten.
    Der Seigneur Keraban konnte übrigens mit den Behörden Rumeliens, welches die Landstraße von Constantinopel nach der Grenze durchzieht, in gar keine oder nur sehr geringe Berührung kommen. Die betreffende Straße entfernt sich nirgends beträchtlich von der Küste des Schwarzen Meeres und kürzt die Entfernung so viel als möglich.
    Es war prächtiges Reisewetter und herrschte eine angenehme Temperatur, abgekühlt durch die Seebrise, welche, ohne Hindernisse zu finden, über das hier ganz ebene Land hinwegstreicht. Hier giebt es Mais-, Gersten-und Roggenfelder, untermischt mit Weingärten, welche in den südlichen Theilen des ottomanischen Reiches vorzüglich gedeihen: schöne Wälder von Eichen, Buchen, Weiden und Birken; da und dort Gruppen von Platanen, Judenkirschen, Lorbeer-, Feigen-und Johannisbrotbäumen; daneben, meist in der Nachbarschaft des Meeres, Granat-und Olivenbäume, ganz den in gleicher Breite Südeuropas vorkommenden Arten entsprechend.
    Durch das Jeni-Thor rollend, schlug der Wagen die Straße von Constantinopel nach Schumla ein, von wo aus ein Zweig derselben über Kirk-Kilisse nach Adrianopel führt. Diese Straße verfolgt seitlich und kreuzt selbst an manchen Stellen die

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