Keraban Der Starrkopf
Stechmücken mit Tabakswolken abzuschlagen. Warum hatte er daran nicht früher gedacht? Wenn sie auch noch der nikotinschwangeren Atmosphäre widerstanden, mit der er das Cabriolet erfüllen wollte, so mußten diese Insecten schon durch die Dünste der Donausümpfe gewaltig abgehärtet sein.
Bruno holte also seine Porzellanpfeife mit Emailblumen hervor – eine Schwester derjenigen, welche ihm in Constantinopel so frech geraubt worden war.
Er stopfte sie, wie er ein auf einen Trupp Feinde abzufeuerndes Gewehr geladen hätte; dann schlug er mit dem Stahle Feuer, zündete den Kopf an und saugte in vollen Zügen den Duft eines vortrefflichen holländischen Tabaks ein, den er in gewaltigen Wolken wieder ausblies.
Der Schwarm summte zuerst mit doppelt schnellem Flügelschlage, zerstreute sich dann aber allmählich in die entferntesten Winkel des Cabriolets.
Bruno konnte sich wegen seines Manövers nur Glück wünschen. Die von ihm demaskirte Batterie that Wunder; die Angreifer wichen in Unordnung zurück; da er aber keine Gefangenen zu machen, sondern ganz das Gegentheil erstrebte, öffnete er schnell das Fenster, um den Insecten im Innern einen Ausgang zu bieten, wohl wissend, daß der ausströmende Tabaksrauch den Insecten draußen das Eindringen schon verleiden würde.
So geschah es denn auch. Befreit von dieser quälerischen Legion von Insecten konnte Bruno sogar wagen, sich nach rechts und links umzusehen.
Die Nacht war noch immer schwarz. Zuweilen erhoben sich scharfe Windstöße, welche den Wagen erschütterten; dieser hing ja aber fest, leider zu fest im Boden. Es war also an ein Umfallen desselben nicht zu denken.
Bruno suchte nach vorn, nach dem nördlichen Horizonte zu, zu erkennen, ob sich nicht ein Lichtschein zeigte, der die Rückkehr des Postillons mit den frischen Pferden verkündete – überall völlige Dunkelheit, eine Finsterniß, die in der Ferne noch tiefer erschien, weil der Vordertheil des Wagens sich in dem leuchtenden Kreisabschnitte des Laternenscheines scharf abhob. Indeß glaubte Bruno, als er nach der Seite hin auslugte, in der Entfernung von etwa sechzig Schritten einige leuchtende Punkte wahrzunehmen, die im Finstern ihre Stelle änderten und geräuschlos, schnell wechselnd bald am Erdboden, bald zwei oder drei Fuß über demselben erschienen.
Bruno fragte sich anfänglich, ob das nicht der phosphorescirende Schein von Irrlichtern wäre, die aus dem sumpfigen, des Kohlenwasserstoffes gewiß nicht entbehrenden Boden aufstiegen.
Wenn er, als vernunftbegabtes Wesen, sich hierüber auch täuschen konnte, so lag das doch anders bei den vorgespannten Pferden, welche ihr Instinct bezüglich der Ursache jener Erscheinung gewiß nicht täuschte. Diese singen aber an, Zeichen von Aufregung zu geben und schnaubten, mit weit aufgeblähten Nüstern, in ganz ungewohnter Weise.
»Na, was ist denn das? fragte sich Bruno. Gewiß eine neue Verschlimmerung unserer Lage! Sollten das Wölfe sein?
Daß es eine, von dem Pferdegeruche herbeigelockte Rotte Wölfe wäre, war gar nicht unmöglich. Diese alle Zeit hungrigen Bestien sind im Donau-Delta ziemlich häufig.
»Zum Teufel! murmelte Bruno, das könnte noch etwas schlimmer werden, als der Besuch der Muskitos oder der Stechmücken unseres Dickkopfs! Da möchte der Tabaksqualm doch nicht viel ausrichten!«
Die Pferde empfanden offenbar eine lebhafte Beunruhigung, welche man nicht mißverstehen konnte. Sie versuchten in dem Moraste auszuschlagen, bäumten sich und zerrten wiederholt heftig an dem Wagen. Die leuchtenden Punkte schienen sich etwas genähert zu haben. Ein dumpfes Grunzen vermengte sich mit dem Pfeifen des Windes.
»Ich denke, sagte sich Bruno, es wäre rathsam, dem Seigneur Keraban und meinem Herrn die Sache mitzutheilen.«
Das erschien wirklich drängend. Bruno glitt also vorsichtig zu Erde nieder, klappte den Kutschentritt herunter, öffnete die Thür und schloß sie wieder, als er in das Coupé eingetreten war, wo die beiden Freunde noch ruhig Einer neben dem Andern schliefen.
»Mynheer!… rief Bruno leise, während er die Hand auf die Schulter Van Mitten’s legte.
– Wer untersteht sich, mich zu wecken? knurrte der Holländer, sich die Augen reibend. Zum Teufel mit dem Kerl!
– Hier ist nicht davon die Rede, die Leute zum Teufel zu schicken, vorzüglich wenn der Teufel vielleicht in höchst eigener Person da ist, antwortete Bruno.
– Aber wer spricht denn da?…
– Ich, Mynheer, Ihr Diener.
– Ah, Bruno, Du
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