Keraban Der Starrkopf
erwiderte Keraban. Der Diener umarmte seinen Herrn, empfahl Gott seine Seele, sprang aus dem Schlitten, und während die Wölfe darüber herfielen, ihn zu verzehren, konnte sein Herr einen großen Vorsprung gewinnen und sich retten.
– Da ist’s ja recht bedauerlich, daß Nizib nicht hier ist!« antwortete Bruno sehr gelassen.
Nach dieser kleinen Unterbrechung fielen Alle wieder in tiefes Schweigen.
Inzwischen schritt die Nacht voran. Die Pferde verloren nichts an ihrer entsetzlichen Schnelligkeit, und es gelang den Ebern schon nicht mehr, sie unmittelbar anzugreifen.
Wenn nun kein Unfall dazu kam und etwa ein Radbruch oder gar ein zu heftiger Stoß den Wagen zum Umfallen brachte, konnten Keraban und Van Mitten doch einige Hoffnung hegen, auch ohne jene Aufopferungsfähigkeit, deren Bruno nicht fähig war, noch Rettung zu finden.
Die Pferde hatten sich übrigens, durch ihren Instinct geleitet, stets in der Richtung der Steppe gehalten, welche sie gewöhnlich durchliefen, und zwar war es in ziemlich gerader Linie nach dem Posthause, in der sie dahinjagten.
Als der erste Schimmer des Tages am östlichen Horizont erschien, waren sie von jenem Hause nur noch wenige Werst entfernt.
Die Wildschweine mühten sich noch eine halbe Stunde ab, dann blieben sie mehr und mehr zurück; die Pferde unterbrachen ihren Lauf deshalb jedoch keinen Augenblick, bis sie – wenige hundert Schritt von der Poststation – keuchend und rauchend zusammenbrachen.
Der Seigneur Keraban und seine beiden Gefährten waren gerettet. Da erhielt der Gott der Christen ein nicht weniger warmes Dankgebet, als der Gott der Ungläubigen, für den Schutz, den sie den beiden holländischen Reisenden und dem Türken während dieser gefahrvollen Nacht gewährt hatten.
Eben als der Wagen unweit der Station anhielt, wollten Nizib und der Postillon, welche wegen der dunklen Nacht nicht eher fortgekonnt hatten, mit den Vorspannpferden aufbrechen. Diese traten nun an die Stelle des abgehetzten Gespanns, für das Seigneur Keraban natürlich eine tüchtige Summe bezahlen mußte; ohne sich eine Stunde Rast zu gönnen, setzte sich der Wagen, nach oberflächlicher Reparatur der Zugriemen und der Deichsel, wieder in Bewegung und fuhr auf Kilia zu.
Diese kleine Stadt, deren Befestigungen die Russen vor ihrer Uebergabe an Rumänien geschleift haben, ist auch ein Hafen der Donau und liegt an dem Arme derselben, der ihren Namen trägt.
Ohne neuen Zwischenfall erreichte die Chaise die Stadt am Abend des 25. August. Höchst ermattet begaben sich die Reisenden nach einem der ersten Hôtels derselben und erholten sich hier durch zwölfstündigen Schlaf von den Anstrengungen der vergangenen Nacht.
Am folgenden Morgen brachen sie mit Sonnenaufgang wieder auf und gelangten nun bald an die russische Grenze.
Hier gab’s wieder einige Schwierigkeiten. Die etwas lästigen Formalitäten der russischen Zollbehandlung setzten die Geduld des Seigneur Keraban wieder ganz gewaltig auf die Probe. In Folge seiner Geschäftsverbindungen verstand er – zum Glück oder Unglück, wie man will – so viel von der Landessprache, um sich verständlich zu machen. Einmal konnte man fast fürchten, daß man bei seinem Widerspruche gegen das Auftreten der Zollbeamten vielleicht gar nicht dazu gelangen würde, die Grenze zu überschreiten.
Nur mit Mühe gelang es Van Mitten, ihn zu beruhigen. Keraban stimmte endlich zu, den gesetzlichen Forderungen nachzugeben und seine Koffer untersuchen zu lassen; dann bezahlte er auch den verlangten Zoll, freilich nicht, ohne wiederholt das ganz gerechtfertigte Urtheil ausgesprochen zu haben:
»Wahrlich, die Regierungen sind doch überall gleich und kaum so viel werth, wie die Rinde einer Pastete!«
Endlich wurde nun die rumänische Grenze überschritten und der Wagen bewegte sich durch denjenigen Theil Bessarabiens, der die nordöstliche Küste des Schwarzen Meeres bildet.
Seigneur Keraban und Van Mitten waren nunmehr noch etwa zwanzig Lieues von Odessa entfernt.
Achtes Capitel.
Worin der Leser gern die Bekanntschaft der jungen Amasia und ihres Verlobten Ahmet machen wird.
Die junge Amasia, die einzige Tochter des Banquiers Selim, von türkischer Herkunft, und ihre Begleiterin Nedjeb lustwandelten plaudernd in der Gallerie einer reizenden Wohnung, deren Gärten sich in Terrassenstufen bis zum Ufer des Schwarzen Meeres ausdehnten.
Von der letzten Terrasse, deren Stufen sich in den heute ruhigen, aber, oft auch durch die heftigen Ostwinde des alten
Weitere Kostenlose Bücher