Keraban Der Starrkopf
ihrem Verlobten entgegenstreckte.
– Es ist also abgemacht, Capitän, sagte Ahmet, Sie werden uns an Bord Ihrer Tartane empfangen.
– Zu welcher Stunde, fragte Yarhud, denn ich möchte selbst da sein, um Ihnen alle meine Schätze zu zeigen?
– Nun gut… also am Nachmittage.
– Warum nicht gleich jetzt? rief Nedjeb.
– O, Du Ungeduldige! antwortete Amasia. Sie hat es noch eiliger als ich, jenen schwimmenden Bazar zu besuchen! Man merkt es, daß Ahmet ihr ein Geschenk versprochen hat, das sie nur noch coquetter machen wird.
– Coquett! rief Nedjeb schmeichelnd. Ich putze mich aber nur für Sie, meine geliebte Herrin.
– Es steht ganz bei Ihnen, Seigneur Ahmet, sagte der Capitän, nach der Tartane zu kommen, wann Sie wollen. Ich kann ein Boot aussetzen, welches Sie hier an der Terrasse abholt, und nach wenigen Ruderschlägen werden Sie an Bord gelangt sein.
– So thun Sie es, erklärte Ahmet.
– Ja… an Bord! jubelte Nedjeb.
– An Bord, weil Nedjeb es will!« setzte das junge Mädchen hinzu.
Capitän Yarhud befahl seinem Matrosen, die mitgebrachten Stoffe wieder einzupacken.
Inzwischen begab er selbst sich nach der Balustrade am Ende der Terrasse und ließ einen lang gedehnten Pfiff ertönen.
Man konnte sehen, daß darauf auf dem Deck der Tartane einige Bewegung entstand. Das an den Backborddävids hängende Boot sank langsam zum Meere nieder, und nach Verlauf von fünf Minuten stieß ein scharf gebautes, leichtes Fahrzeug, getrieben von vier Ruderern, an die Stufen der Terrasse.
»Vielleicht ist es der, welcher die reizende Tartane da unten führt?« (S. 99.)
Capitän Yarhud gab Seigneur Ahmet ein Zeichen, daß das Boot zu seiner Verfügung stehe.
Trotz der Herrschaft, die er über sich besaß, konnte Yarhud doch eine gewisse Erregung nicht ganz unterdrücken. Bot sich jetzt nicht eine Gelegenheit, die Entführung in’s Werk zu setzen?
Amasia bewunderte mit Interesse die prächtigen Stoffe. (S. 102.)
Die Zeit drängte, denn der Seigneur Keraban konnte nun jede Stunde eintreffen. Nichts deutete darauf hin, daß er vor Vollendung dieser fast unsinnigen Reise um das Schwarze Meer nicht werde so schnell als möglich die Hochzeit Ahmets und Amasias feiern wollen.
Als Gattin Ahmets war Amasia aber nicht mehr das junge Mädchen, welches der Palast des Seigneur Saffar erwartete.
Ja, der Capitän Yarhud sah sich plötzlich zu einem Gewaltstreich getrieben. Es entsprach ganz seiner brutalen Natur, keine Schonung zu kennen. Ueberdies waren die Umstände besonders günstig und ebenso der Wind, um schnell in’s offene Wasser zu gelangen. Die Tartane mußte auf offener See sein, bevor man daran denken konnte, dieselbe zu verfolgen, im Fall das Verschwinden des jungen Mädchens sofort Aufsehen erregte. Gewiß hätte Yarhud, wenn Ahmet nicht mit zugegen gewesen wäre und Amasia nebst Nedjeb allein die »Guidare« besucht hätten, nicht einen Augenblick gezögert, die Anker zu lichten und in See zu gehen, während noch die beiden jungen Mädchen damit beschäftigt waren, ihre Auswahl zu treffen. Es wäre dann so leicht gewesen, sie im Zwischendeck gefangen zu halten und ihr Geschrei zu ersticken, bis das Schiff die Bai hinter sich hatte. In Gegenwart Ahmets war das freilich schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Sich dieses jungen Mannes, so entschlossen derselbe auch war, später, und wäre es durch Mord, zu entledigen, darüber machte sich der Capitän der »Guidare« keinerlei Bedenken. Der Mord wäre einfach mit auf Rechnung gesetzt worden und die Entführung kam dem Seigneur Saffar bedeutend theurer zu stehen. Das war Alles.
Yarhud wartete also auf den Stufen der Terrasse, noch unentschlossen, was er thun sollte, als Ahmet mit seinen Begleiterinnen das Canot der »Guidare« bestiegen hatte.
Das leichte Fahrzeug schwankte graziös auf den flachen, von schwacher Brise getriebenen Wellen in der Entfernung von kaum einer Kabellänge.
Ahmet befand sich noch auf der letzten Stufe, nachdem er Amasia geholfen, auf der Bank im Hintertheile des Bootes Platz zu nehmen, als die Thür der Gallerie sich aufthat. In derselben erschien ein Mann von höchstens fünfzig Jahren, dessen türkische Tracht sich der europäischen Kleidung näherte, und rief:
»Ahmet! Amasia!«
Es war der Banquier Selim, der Vater der jungen Braut, der Correspondent und Freund des Seigneur Keraban.
»Meine Tochter!… Ahmet!« wiederholte Selim.
Amasia erfaßte die Hand, die ihr Ahmet entgegenhielt, verließ
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