Keraban Der Starrkopf
Garten vor Anker lag.
– Vielleicht! antwortete Ahmet. Lass’ ihn eintreten.«
Der Diener zog sich zurück und gleich darauf zeigte sich der Fremde in der Thür der Gallerie.
Es war in der That der Capitän Yarhud, der Befehlshaber der Tartane »Guidare«, eines schnellen Schiffes von etwa hundert Tonnen, das eben so geeignet schien zur Küstenschifffahrt auf dem Schwarzen Meere, wie zur Fahrt nach den Stapelplätzen der Levante.
Zu seinem großen Leidwesen hatte Yarhud etwas warten müssen, ehe er in geringer Entfernung der Villa des Banquiers Selim Anker werfen konnte.
Ohne eine Stunde zu verlieren, war er nach dem Gespräch mit Scarpante, dem Intendanten des Seigneur Saffar, mit Benützung der bulgarischen und rumänischen Eisenbahnen von Constantinopel nach Odessa gefahren – damit kam Capitän Yarhud jedenfalls einige Tage vor dem Seigneur Keraban an, der sich mit echt alttürkischer Langsamkeit binnen vierundzwanzig Stunden nur fünfzehn bis sechzehn Lieues vorwärtsbewegte. In Odessa fand er aber die Witterung so schlecht, daß er mit der »Guidare« nicht aus dem Hafen zu gehen wagte, sondern warten mußte, bis der Nordostwind nach Westen umschlug. Erst heute morgen hatte er in der Nähe der Villa anlegen können. Diese Verzögerung raubte ihm nun einen großen Theil des Vorsprungs vor Seigneur Keraban, ein Umstand, der sein Vorhaben natürlich nicht begünstigen konnte.
Yarhud mußte also handeln, ohne einen Tag zu verlieren. Sein Plan stand fest: Erst List, dann Gewalt, wenn’s mit der List mißglückte. Es war auch nothwendig, daß die »Guidare« mit Amasia an Bord noch am nämlichen Abende von der Rhede von Odessa wegsegelte. Ehe ihr Verschwinden dann bemerkt und eine Verfolgung eingeleitet werden konnte, mußte die Tartane bei günstigem Nordwestwinde schon so gut wie in Sicherheit sein.
Entführungen dieser Art finden noch immer, und häufiger als man glauben sollte, an verschiedenen Küstenpunkten statt. Wenn sie in den türkischen Gewässern, in der Nähe der Küsten Anatoliens ziemlich oft vorkommen, so sind dieselben doch auch noch an solchen Küsten zu fürchten, welche direct unter russischer Herrschaft stehen.
Vor kaum einigen Jahren wurde gerade Odessa von einer ganzen Reihe solcher Räubereien heimgesucht, deren Urheber unbekannt geblieben sind. Es verschwanden damals mehrere junge Mädchen aus der besten Gesellschaft Odessas, und ohne jeden Zweifel wurden sie an Bord solcher Fahrzeuge geschleppt, welche an den Küsten Kleinasiens noch immer den abscheulichen Sclavenhandel treiben.
Was jene Schurken in der Hauptstadt Südrußlands ausgeführt, das wollte Yarhud zu Gunsten des Seigneur Saffar auch vollbringen. Die »Guidare« machte damit nicht einmal den ersten Versuch, und ihr Capitän hätte gewiß nicht für vieles Geld sich den großen Nutzen entgehen lassen, den er aus diesem »Geschäfte« zu ziehen hoffte.
Yarhud’s Plan ging auf Folgendes hinaus: Er wollte das junge Mädchen an Bord der »Guidare« zu locken suchen unter dem Vorwande, ihr verschiedene kostbare Stoffe, die er in den ersten Fabriken eingekauft, zu zeigen. Sehr wahrscheinlich begleitete Ahmet das junge Mädchen bei dem ersten Besuche; vielleicht aber kam sie noch einmal allein mit Nedjeb wieder. Sollte es dann nicht möglich sein, in See zu gehen, bevor ihr Jemand zu Hilfe kommen konnte? Ließe sich Amasia aber wider Erwarten nicht durch das Angebot Yarhud’s überreden, schlug sie es ab, an Bord zu kommen, so wollte der maltesische Capitän sie mit Gewalt entführen. Die Wohnung des Banquiers Selim lag ziemlich vereinzelt an einer Bucht, und die Dienerschaft wäre gewiß nicht im Stande gewesen, den Leuten von der Tartane Widerstand zu leisten; jedenfalls ging es dann freilich nicht ohne Kampf ab und es würde sofort bekannt, unter welchen Verhältnissen die Entführung stattgefunden hatte.
Im Interesse des Räubers lag es also, die Sache womöglich ohne Aufsehen durchzuführen.
»Der Seigneur Ahmet? sagte Capitän Yarhud sich vorstellend, und nur begleitet von einem seiner Matrosen, der unter dem Arme mehrere Stoffstücke trug.
– Der bin ich, antwortete Ahmet. Sie sind…
– Der Capitän Yarhud, Befehlshaber der Tartane »Guidare«, welche hier, dicht vor der Wohnung des Banquiers Selim, vor Anker liegt.
– Und was wünschen Sie?
– Seigneur Ahmet, antwortete Yarhud, ich habe von Ihrer bevorstehenden Hochzeit gehört…
– Da haben Sie, Capitän, von einer Sache gehört, die mir mehr als
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