Keraban Der Starrkopf
Tartane. Das Boot erwartete ihn unten an den Stufen… seine Matrosen waren Leute, die ihm blindlings gehorchten… er brauchte nur zu wollen!
Der Capitän fühlte sich lebhaft versucht, Gewalt anzuwenden, um sich Amasias zu bemächtigen. Da er im Grunde aber ein kluger Mann war, nichts dem Zufall überließ und vorzüglich auch keine Spur von der Entführung hinterlassen wollte, begann er die Sache doch erst zu überlegen.
Jetzt war’s heller Tag. Trat er gewaltthätig auf, so würde Amasia um Hilfe rufen und Nedjeb sie dabei unterstützen. Vielleicht hörte das der oder jener Diener; vielleicht sah man dann die »Guidare« in aller Eile aus der Bai von Odessa hinaussegeln, das wäre verrätherisch, der Anfang eines Beweises… Nein, es empfahl sich mehr mit Vorsicht zu handeln und die Nacht dazu abzuwarten. Das wichtigste war ja, daß sich Ahmet nicht mehr hier befinde, und er war in der That nun fort.
Der Malteser hielt sich also bei Seite und saß ruhig im Hintertheile seines Bootes, welches die Balustrade zum Theil verdeckte. Von hier aus beobachtete er die beiden jungen Mädchen. Diese dachten gar nicht an die Nähe dieser gefährlichen Persönlichkeit.
Wenn Amasia und Nedjeb in Folge des versprochenen Besuches an Bord der Tartane kamen, um die Stoffe zu prüfen, welche sie zu sehen wünschten, oder aus irgend einem anderen Grunde – und Yarhud hatte eine dahin zielende
Odessa. Die große Treppe. (S. 116.)
Idee – so würde er ja sehen, ob es gerathen schien, sich sofort zu entscheiden, ohne erst die Nacht abzuwarten.
Nach der Abfahrt Ahmets war Amasia, betäubt von dem unerwarteten Schlage, schweigend und nachdenkend sitzen geblieben, während sie den fernen, sich nach Norden ausdehnenden Horizont betrachtete. Dort blinkte die Uferlinie, deren Kreise die Reisenden unentwegt folgen sollten; dort jene Straße, wo Hindernisse, vielleicht Gefahren den Seigneur Keraban und die, welche er wider ihren Willen mit sich fortführte, schwer auf die Probe zu stellen drohten. Wäre ihre Hochzeit vorüber gewesen, so würde sie gar nicht gezögert haben, Ahmet zu begleiten Was hätte der Onkel dagegen einwenden sollen? Er hätte es gewiß gar nicht versucht. Nein, wenn sie erst seine Nichte wäre, hätte sie vorausgesetzt, etwas mehr Einfluß auf ihn zu gewinnen, gehofft, ihn von dem gefährlichen schiefen Wege abdrängen zu können, auf den seine Starrsinnigkeit ihn führte Und jetzt war sie allein, sie mußte warten, lange warten, ehe sie sich mit Ahmet wieder zusammenfinden konnte in jener Villa zu Scutari, wo ihre Hochzeit statthaben sollte.
Wenn Amasia betäubt war, so war Nedjeb dagegen wüthend, wüthend gegen den Eisenkopf, die Ursache aller Enttäuschungen. Ja, hätte es sich um ihre eigene Hochzeit gehandelt, so würde die junge Zigeunerin ihren Verlobten nicht auf diese Weise entführen lassen! Sie hätte dem Starrkopf Trotz geboten. Nein! Das wäre Alles anders gekommen!
Die Villa war jetzt verlassen. (S. 119.)
Nedjeb näherte sich dem jungen Mädchen. Sie nahm dieselbe bei der Hand und führte sie nach dem Divan, zwang sie, sich darauf niederzulassen, und holte sich selbst ein Kissen, auf das sie sich zu ihren Füßen niedersetzte.
»Theure Herrin, sagte sie, an Ihrer Stelle würd’ ich, statt an Seigneur Ahmet zu denken, lieber an den Seigneur Keraban denken, um ihn recht zu verwünschen.
– Wozu sollte das dienen? antwortete Amasia.
– Es scheint mir weniger traurig zu sein, erklärte Nedjeb. Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir diesen Onkel mit allen Verwünschungen überhäufen! Er verdient sie, und ich versichere Ihnen, daß ich das Meinige thun werde.
– Nein, Nedjeb, sprechen wir lieber von Ahmet, an ihn allein hab’ ich zu denken und seiner allein gedenke ich!
– Nun, so reden wir von ihm, theure Herrin, sagte Nedjeb. In der That, er ist der liebenswürdigste Bräutigam, den sich ein junges Mädchen nur träumen kann, aber was für einen Onkel hat er! Dieser Despot, dieser Egoist, dieser schändliche Mann, der kein Wort zu sagen hatte und keines gesagt hat, der uns nur wenige Tage zu schenken brauchte und das abgeschlagen hat! Wahrhaftig, er verdiente…
– Wir wollten von. Ahmet sprechen, erinnerte sie Amasia.
– Ja, theure Herrin, wie er Sie liebt! Wie glücklich Sie mit ihm sein werden! O, er wäre vollkommen, wenn er nicht einen solchen Onkel hätte! Wissen Sie, daß er wohl daran gethan hat, keine Frau zu nehmen, weder die eine noch die andere? Mit
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