Keraban Der Starrkopf
Hauptschlag, der schwer zu pariren sein wird! sagte Van Mitten halblaut für sich.
– Es wird ihn auch Niemand pariren!« flüsterte Bruno ihm zu.
Ahmet hatte dieser Schlag wirklich in’s Herz getroffen. Amasia ihrerseits blieb gegenüber der drohenden Aussicht, auch ihren Verlobten wegreisen zu sehen, regungslos neben Nedjeb, welche dem Seigneur Keraban am liebsten die Augen ausgerissen hätte.
Am Ende der Gallerie verlor der Capitän der »Guidare« kein Wort von diesem Gespräche. Offenbar nahm die Sache eine für seine Projecte günstige Wendung.
Selim glaubte, trotz ganz geringer Hoffnung, etwas an dem Entschlusse seines Freundes zu ändern, doch noch ein Wort einlegen zu sollen.
»Ist es denn nothwendig, Keraban, daß Ihr Neffe die Reise um das Schwarze Meer mitmacht?
– Nothwendig, nein! erwiderte Keraban. Aber ich denke, Ahmet wird gar nicht zaudern, mich zu begleiten.
– Indeß… stammelte Selim.
– Nun indeß?«… wiederholte Keraban, der schon die Lippen zusammenbiß, wie er das allemal beim Beginn eines Wortwechsels that.
Eine Minute Stillschweigen, welche endlos schien, folgte dem letzten Worte Keraban’s. Ahmet hatte sich inzwischen zu einem Entschlusse aufgerafft. Er sprach leise mit dem jungen Mädchen. Er machte ihr begreiflich, daß es, wie sehr sie beide auch diese plötzliche Trennung beklagen mochten, doch besser sei, nachzugeben; daß jene Reise ohne ihn sich leicht noch mehr verzögern könnte, während sie mit ihm schneller von Statten gehen werde; daß er bei seiner gründlichen Kenntniß der russischen Sprache weder einen Tag noch eine Stunde versäumen lassen werde; daß er seinen Onkel schon dazu bringen werde, doppelte Schritte zu machen, und sollte es auch dreifache Unkosten verursachen, und daß er endlich vor Ablauf des nächsten Monats, d. h. vor dem Zeitpunkte, an dem Amasia vermählt sein mußte, um sich ein beträchtliches Vermögen zu sichern, den Onkel Keraban wieder nach dem linken Ufer des Bosporus hinübergebracht haben werde.
Amasia hatte zwar nicht die Kraft gefunden, ja zu sagen, sie sah aber ein, daß ihre Interessen damit voraussichtlich am besten gewahrt seien.
»Nun gut, es gilt, lieber Onkel, sagte Ahmet, ich werde Dich begleiten, und bin bereit abzureisen… aber…
– O, keine Bedingungen, Herr Neffe!
– Meinetwegen, ohne jede Bedingung!« sagte Ahmet.
Für sich setzte er aber hinzu:
»Ich werde Dich schon im Trabe halten, und wenn Du dabei außer Athem kommst, Du starrköpfigster aller Onkel!
– Also vorwärts!« rief Keraban.
Nochmals wendete er sich an Selim.
»Nun, und die Rubel im Austausch für meine Piaster?
– Gebe ich Dir in Odessa; ich werde Dich nach der Stadt begleiten, antwortete Selim.
– Sind Sie bereit, Van Mitten? fragte Keraban.
– Ich bin stets bereit.
– Nun also, Ahmet, sagte Keraban, umarme Deine Braut, umarme sie recht herzlich, denn wir wollen fort!«
Ahmet drückte das junge Mädchen in die Arme. Amasia konnte einige Thränen nicht unterdrücken.
»Ahmet, mein geliebter Ahmet!… schluchzte sie.
– Weine nicht, meine Amasia! tröstete sie Ahmet. Wenn unsere Hochzeit nicht beschleunigt wird, so wird sie auch nicht verschoben werden, das verspreche ich Dir!… Es handelt sich nur um eine Trennung von wenigen Wochen!…
– Ach, beste Herrin, ließ sich da Nedjeb vernehmen, wenn der Seigneur Keraban doch ein Bein oder lieber zwei brechen wollte, ehe er aus dem Hause kommt. Wollen Sie, daß ich das herbeizuführen suche?«
Ahmet bedeutete der jungen Zigeunerin, sich ruhig zu verhalten, und er that wohl daran. Nedjeb wäre wahrlich im Stande gewesen, Alles zu versuchen, um diesen unfügsamen Onkel zurückzuhalten.
Nun war Lebewohl gesagt, waren die letzten Küsse gewechselt. Alle fühlten sich seltsam erregt. Selbst der Holländer empfand etwas wie einen Druck am Herzen. Nur der Seigneur Keraban allein sah nichts, oder wollte von der allgemeinen Traurigkeit nichts sehen.
»Ist der Wagen bereit? fragte er Nizib, der eben in die Gallerie trat.
– Der Wagen erwartet Sie, antwortete Nizib.
– Vorwärts! trieb nun Keraban. Ah, meine modernen Herren Ottomanen, die sich europäisch kleiden! Ah, meine Herren Jungtürken, die nicht einmal verstehen, ordentlich fett zu werden!…«
Das war augenscheinlich ein unverzeihlicher Fehler in den Augen des Seigneur Keraban.
»Ah, meine Herren Renegaten, die ihr Euch den Vorschriften Mahmud’s fügt, ich werde Euch zeigen, daß es noch Altgläubige gibt, mit denen
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