Keraban Der Starrkopf
schwang, und wieder setzte der Wagen seinen Weg, der jetzt nach Cherson hinabführte, in mäßiger Schnelligkeit fort.
Nun ging es gegen siebzehn Lieues weit durch eine fruchtbare Landschaft, welche sich da und dort mit Maulbeerbäumen, Pappeln und Weiden bestanden zeigte. In der Nachbarschaft des Dniepr, der nach fast vierhundert Lieues langem Laufe bei Cherson mündet, dehnten sich weite Rohrdickichte aus, welche von Blaumeisen bevölkert schienen; durch das Geräusch des Wagens aufgescheucht, entflohen aber die Vögel mit schwerem Flügelschlage – es waren bläuliche Elstern, deren häßliches Geschrei die Ohren mehr beleidigte, als ihr schimmerndes Gefieder die Augen ergötzte.
Am frühen Morgen des 29. August kamen der Seigneur Keraban und seine Gefährten, nach einer ohne Zwischenfall verlaufenen Nacht, in Cherson, der Gouvernements-Hauptstadt an, deren Gründung Potemkin zu verdanken ist. Die Reisenden konnten sich wegen dieser Schöpfung des kaiserlichen Günstlings Katharinas II. beglückwünschen. Hier fanden sie ein vortreffliches Hôtel, in dem sie mehrere Stunden rasteten, und reichhaltig ausgestattete Kaufläden, um die Proviantvorräthe des Wagens bequem zu ergänzen – eine Aufgabe, der sich Bruno, welcher sich hierin viel anstelliger erwies als Nizib, zur allgemeinen Zufriedenheit entledigte.
Einige Stunden später wechselten sie die Pferde in dem nicht unbedeutenden Flecken Aleschki und wendeten sich nun bergabwärts nach der Landenge von Perekop, welche die Krim mit der Küste Südrußlands verbindet.
Ahmet hatte nicht unterlassen, von Aleschki aus einen Brief nach Odessa abzusenden. Als sie wieder im Wagen Platz genommen hatten, und die Pferde schon im vollen Laufe auf der Straße nach Perekop waren, fragte der Seigneur Keraban seinen Neffen, ob er wohl so aufmerksam gewesen sei, gleichzeitig mit den eigenen dem Banquier Selim auch seine besten »Allahs« zu übermitteln.
»Ohne Zweifel, lieber Onkel, antwortete Ahmet, das habe ich nicht vergessen und außerdem hinzugefügt, daß wir nichts unterließen, um Scutari so schnell als möglich zu erreichen.
– Recht so, lieber Neffe, wir dürfen niemals vernachlässigen, von uns Nachricht zu geben, sobald ein Postbureau dazu Gelegenheit bietet.
– Unglücklicher Weise müssen unsere Briefe, da wir niemals vorher bestimmen können, wo wir uns einige Zeit verweilen, stets ohne Antwort bleiben.
– Freilich, meinte Van Mitten.
– Was übrigens das Briefwechseln betrifft, wendete sich da Keraban an seinen Freund aus Rotterdam, so scheinen Sie es bezüglich der Frau Van Mitten nicht besonders eilig haben.
Selim fiel, von einer Kugel in die Schulter getroffen, zu Boden. (S. 130.)
– Frau Van Mitten?… antworte der Holländer gedehnt.
– Ja.
– Frau Van Mitten ist unbestreitbar eine höchst ehrenwerthe Dame. Als Weib hab ich gewiß niemals Ursache gehabt, ihr irgend welchen Vorwurf zu machen, als Gefährtin meines Lebens dagegen… Doch, Freund Keraban, warum sprechen wir überhaupt von Frau Van Mitten?
– Nun, weil sie, soweit ich mich ihrer entsinne, eine sehr liebenswürdige Persönlichkeit war.
– Wirklich?… stieß Van Mitten hervor, als habe er eine ganz besondere Neuigkeit erfahren.
– Hab’ ich Dir nicht von ihr ein höchst schmeichelhaftes Bild entworfen, Ahmet, als ich von Rotterdam zurückkehrte?
– Gewiß, lieber Onkel.
– Und hat sie bei meiner damaligen Reise durch den mir bereiteten Empfang nicht einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht?
– Wirklich?… wiederholte Van Mitten.
– Doch das will ich zugestehen, fuhr Keraban fort, sie hatte zuweilen etwas eigenartige Gedanken, kleine Launen… Vapeurs!… So etwas ist übrigens von dem Charakter der Frauen unzertrennlich, und wer sich damit nicht abzufinden versteht, der sollte eben keine nehmen. Das ist genau mein Fall.
– Und Sie haben damit sehr wohl gethan, versicherte Van Mitten.
– Als richtige Holländerin liebt sie natürlich leidenschaftlich die Tulpen? fragte Keraban.
An Pferden zum Wechseln fehlte es nicht. (S. 133.)
– Leidenschaftlich!
– So sprechen Sie doch frei von der Leber weg, Van Mitten! Sie kommen mir, was Ihre Gattin betrifft, sehr zugeknöpft und kühl vor.
– Kühl wäre für die Empfindung, die ich für sie hege, noch ein zu warmer Ausdruck.
– Was sagen Sie?… rief Keraban verwundert.
– Ich sage, antwortete der Holländer, daß ich Ihnen gegenüber der Frau Van Mitten niemals Erwähnung gethan
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