Keraban Der Starrkopf
überlassen was sie noch an Pferden besaßen? fragte Keraban, dem der Zorn schon aus den Augen blitzte.
– Wer? Ei, dieser Reisende meldete sich auf der Station gestern morgens, also zwölf Stunden vor Ihnen, und da ich Pferde zur Verfügung hatte, konnte ich ihm dieselben gar nicht vorenthalten.
– Doch hätten Sie das thun sollen!…
– Wie? Und warum denn? fragte erstaunt der Posthalter.
– Nun, weil ich doch später ankommen mußte!«
Was konnte Jemand auf Argumente dieser Art erwidern? Van Mitten wollte vermitteln – er zog sich nur eine Zurechtweisung von seinem Freunde zu. Der Posthalter selbst wollte sich, nachdem er dem Seigneur Keraban noch einen spöttischen Blick zugeworfen, schon in sein Haus zurückziehen, als dieser ihn mit den Worten aufhielt:
Der Postverwalter stand auf der Schwelle. (S. 151.)
»Gleich Pferde! Ob Sie nun Pferde haben oder nicht; jedenfalls müssen wir sofort weiter reisen können.
– Sofort?… wiederholte der Posthalter. Ich wiederhole Ihnen, daß ich keine Pferde habe.
– So suchen Sie, welche zu finden!
– In Arabat gibt es keine!
– Treiben Sie zwei, treiben Sie nur eins auf, antwortete Keraban, der schon fast die Selbstbeherrschung verlor, treiben Sie die Hälfte von einem auf… aber finden müssen Sie etwas!
– Wenn es aber nirgends ein Pferd gibt?… mischte sich Van Mitten, um ihn zu besänftigen, ein.
– Es muß eines geben!
– Vielleicht könnten Sie uns ein Gespann von Maulthieren oder Mauleseln verschaffen? fragte Ahmet den Posthalter.
– Meinetwegen Maulthiere oder Maulesel! stimmte der Seigneur Keraban zu. Wir werden damit zufrieden sein!
– In der ganzen Provinz hat es niemals Maulthiere oder Maulesel gegeben, erklärte der Posthalter.
– Nun, heute sieht er ein Geschöpf dieser Sorte, flüsterte Bruno auf Keraban deutend, seinem Herrn in’s Ohr, und noch dazu ein ganz vorzügliches.
– Nun dann gewöhnliche Esel?… fragte Ahmet.
– Ebensowenig Esel wie Maulthiere!
– Nicht einmal Esel!… polterte Keraban heraus. Ah, Sie treiben wohl Ihren Spott mit uns, Herr Posthalter! Wie, es sollte im Lande keine Esel geben? Nichts, sei es was es ist, womit man einen Wagen frisch bespannen könnte?«
Der starrköpfige Mann warf dabei wüthende Blicke nach rechts und nach links auf ein Dutzend Einwohner des Ortes, die sich an der Thür der Poststation gesammelt hatten.
»Er wäre im Stande, die Leute selbst vor seinen Wagen spannen zu lassen! sagte Bruno.
– Ja, sie oder uns!« antwortete Nizib als erfahrener Kenner seines Herrn.
Da es nun weder Pferde, noch Maulthiere oder Esel gab, lag es auf der Hand, daß an eine Abreise nicht zu denken war. Die ganze Gesellschaft mußte sich wohl oder übel entschließen, vierundzwanzig Stunden zu warten. Ahmet, der hierüber gewiß eben so ungehalten war, wie sein Onkel, wollte ihm doch gegenüber der Unmöglichkeit Vernunft beizubringen suchen, als der Seigneur Keraban laut rief:
»Hundert Rubel, wer mir ein Gespann verschafft!«
Unter den Einwohnern von Arabat entstand ein leises Gemurmel. Einer derselben trat entschlossen vor.
»Herr Türke, sagte er, ich habe zwei Dromedare zu verkaufen.
– Ich kaufe sie!« antwortete Keraban.
Dromedare vor einen Reisewagen zu spannen, war zwar noch nicht dagewesen; jetzt sollte es geschehen.
In weniger als einer Stunde war der Handel zu gutem Preise abgemacht. Was fragte er nach dem Gelde; der Seigneur Keraban hätte auch das Doppelte bezahlt. Die beiden Thiere wurden also so gut als möglich gezäumt, an die Deichsel gespannt und auf’s Versprechen eines außerordentlichen Trinkgeldes hin nahm deren früherer Eigenthümer, der nun den Kutscher spielte, vor dem Höcker eines dieser Wiederkäuer Platz; dann rollte der Wagen zum größten Erstaunen der Bewohner von Arabat, aber zur großen Befriedigung der Reisenden im gestreckten Trabe seines merkwürdigen Gespanns die Straße nach Kertsch zu hinab.
Am Abend kam man ohne Unfall in dem Dorfe Argin, zwölf Lieues von Arabat, an.
Auf der Post gab es, wieder in Folge des vorausfahrenden Seigneur Saffar, ebenfalls keine neuen Pferde. Man mußte sich entschließen in Argin zu übernachten, um den Dromedaren einige Ruhe zu gönnen. Am folgenden Tage, dem 3. September, änderte sich an den bisherigen Verhältnissen auch nichts, und der Wagen gelangte nach Zurücklegung von siebzehn Lieues von Argin aus nach dem Dorfe Marienthal, wo die Nacht verbracht wurde.
Mit dem Morgenrothe ging es wieder
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