Keraban Der Starrkopf
fügte der Kutscher hinzu, vielleicht, auch acht, mehr aber nicht.
– Was denkst Du zu thun, lieber Onkel? redete diesen Ahmet an.
– Steigen wir aus, Freund Keraban, drängte ihn Van Mitten.
– Schlammvulcane?…. Wir müssen doch sehen, was daran sein kann!«
Nicht ohne Widerspruch fügte sich endlich auch der Seigneur Keraban. Alle sprangen hinaus und gingen hinter der, nur im Schritt weiterfahrenden Chaise her, deren Laternen den Weg etwas erhellten.
Die Nacht war ungemein dunkel. Wenn der Holländer die von dem Kutscher angemeldeten Naturerscheinungen zu sehen hoffte, so täuschte er sich; das scharfe Pfeifen dagegen, welches zuweilen die Luft mit wahrhaft betäubendem Lärm erfüllte, mußte Jeder hören, wenn er nicht geradezu taub war.
Bei Tage hätte man nämlich folgendes wahrgenommen: Eine, auf weite Strecken von kleinen Eruptionshügeln durchsetzte Steppe, vergleichbar den ungeheuren Ameisenbauten, welche sich in manchen Gegenden des äquatorialen Afrika finden. Aus diesen Hügeln brechen Gas-und Asphaltquellen hervor, welche man speciell »Schlammvulcane« nennt, obwohl eine vulcanische Wirkung bei dem Zustandekommen dieses Phänomens ganz ausgeschlossen ist. Nur ein Gemisch von Schlamm, Gyps, Kalk, Feuerstein nebst Petroleum ist es, was hier unter dem Druck von Kohlenwasserstoff-zuweilen auch von Phosphorwasserstoffgas, mit einer gewissen Heftigkeit emporgetrieben wird. Diese Bodenerhebungen steigen allmählich auf, verlieren ihre Spitze, um das Eruptionsmaterial ausbrechen zu lassen, und verschwinden, wenn der Tertiärboden der Halbinsel sich seines Inhalts entleert hat, in mehr oder minder langer Zeit wieder gänzlich.
Das Wasserstoffgas, welches unter diesen Verhältnissen entsteht, rührt von der langsamen aber unaufhörlichen Zersetzung mit verschiedenen Substanzen vermischten Petroleums her, das Felsgestein, in welchem es vorher eingeschlossen ist, lockert sich endlich unter der Einwirkung des Wassers, des Regen-und Quellwassers, welches unaufhörlich daran nagt.
Dann kommt es zum Ausbruche, der, wie man sehr richtig gesagt hat, sich ebenso vollzieht, wie aus einer mit moussirender Flüssigkeit gefüllten Flasche, welche die Elasticität des Gases vollständig entleert.
Solche Auswurfshügel giebt es auf der Insel Taman in großer Menge. Man trifft dieselben auch auf ganz ähnlichem Boden auf der Halbinsel von Kertsch, aber nicht in der Nähe des Weges, welchen der Wagen eingehalten hatte – woraus es sich erklärt, daß die Reisenden noch nichts davon wahrgenommen hatten.
Inzwischen schritten sie zwischen diesen großen, von Dampfwolken bekrönten Beulen hin, inmitten aufsteigender Strahlen flüssigen Schlammes, dessen Natur ihnen der Kutscher nach bestem Wissen erklärt hatte. Zuweilen kamen sie denselben so nahe, daß sie im Gesicht den Strom des Gases fühlten, das einen charakteristischen Geruch besaß, als käme es aus dem Gasometer einer Anstalt.
»Ah, sagte Van Mitten, als er das Vorhandensein von Leuchtgas erkannte, da befinden wir uns ja auf nicht gefahrlosem Wege. Wenn es nur zu keiner Explosion kommt!
– Sie haben Recht, sagte Ahmet, es wäre wohl rathsam wir löschten…«
Der Gedanke, welchen Ahmet eben aussprach, mußte wohl auch dem Kutscher, welcher ja schon gewohnt war, diese Gegenden zu passiren, gekommen sein, denn plötzlich erloschen die Laternen des Wagens.
»Hütet Euch, zu rauchen, Ihr Anderen! rief Ahmet, sich an Bruno und Nizib wendend.
– Beruhigen Sie sich, Herr Ahmet, antwortete Bruno, wir haben keine Lust in die Luft zu springen.
– Was, rief Keraban, nun wäre es hier wohl gar noch verboten, zu rauchen?
– Nein, lieber Onkel, nein, versicherte Ahmet eifrig,… höchstens auf der Strecke von wenigen Werst…
– Nicht einmal eine Cigarrette? fuhr der Starrkopf fort, der schon mit der Gewandtheit eines alten Rauchers eine tüchtige Fingerspitze vom Tombeki zusammendrehte.
– Nachher, Freund Keraban, nachher… im Interesse Aller! bat ihn Van Mitten. In dieser Steppe zu rauchen, kann ebenso gefährlich werden, wie in einer Pulvermühle.
– Ein nettes Land! murmelte Keraban. Es sollte mich sehr wundern, wenn die hiesigen Tabakhändler reiche Leute würden. O, Herr Neffe, selbst auf die Gefahr der Verzögerung um einige Tage wäre es besser gewesen, um das Schwarze Meer zu fahren.«
Ahmet gab keine Antwort. Er wollte über diesen Gegenstand keine Auseinandersetzung anfangen. Grollend schob sein Onkel die Prise Tombeki wieder in die Tasche,
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