Keraban Der Starrkopf
behaupten, Ahmet, daß es nicht besser gewesen wäre, um das Asow’sche Meer zu fahren?
– Du hast Recht, lieber Onkel!
– Wie immer, mein Herr Neffe, wie immer!«
Kaum hatte Seigneur Keraban seine Phrase beendigt, als tiefe Finsterniß an Stelle des blendenden Glanzes trat, der die Steppe noch erhellt hatte. Die Hügel erloschen alle plötzlich und gleichzeitig. Es sah aus, als hätte der Maschinist eines Theaters den Haupthahn der Gasleitung zugedreht. Alles wurde schwarz und erschien desto schwärzer, als die Augen auf der Netzhaut noch den Eindruck des grellen Lichtes bewahrten, dessen Quell so unerwartet versiegt war.
Was mochte die Ursache sein? Warum hatten die Hügel überhaupt Feuer gefangen, obgleich sich ihrer Ausflußöffnung kein Licht genähert hatte?
Hier die Erklärung: Unter dem Einflusse eines durch die Berührung mit der Luft sich selbst entzündenden Gases lag hier eine ganz gleiche Erscheinung vor, wie die, welche im Jahre 1840 die Umgebung von Taman entzündet hatte. Das betreffende Gas ist der Phosphorwasserstoff, der sich durch Zersetzung von im Mergelboden liegenden Seethierleichen entwickelt. Er entzündet sich, wie gesagt, von selbst und überträgt das Feuer auf das Kohlenwasserstoffgas, welches ganz unserem Leuchtgase entspricht. Solche Erscheinungen freiwilliger Entzündungen können sich, wahrscheinlich unter Mitwirkung klimatischer Bedingungen, jeden Augenblick wiederholen, ohne daß Jemand dieselben vorherzusagen vermag.
Nach dieser Hinsicht bieten die Straßen über die Halbinseln Kertsch und Taman also ernstliche Gefahren, die man schwer abwenden kann, weil sie ungemein plötzlich eintreten können.
Der Seigneur Keraban hatte also nicht ganz Unrecht, wenn er sagte, daß jede beliebige andere Straße derjenigen vorzuziehen gewesen wäre, nach welcher die Ungeduld Ahmets sie verleitet hatte.
Indeß, es waren ja Alle der Gefahr entgangen, der Onkel wie der Neffe etwas angesengt, ihre Begleiter dagegen, ohne die geringste Brandwunde erhalten zu haben.
Drei Werst von hier hielt der Kutscher, der endlich wieder der Pferde Herr geworden war. Sofort nach Erlöschen der Flammen hatte er die Wagenlaternen wieder angesteckt, und geleitet durch den Schein konnten die Reisenden ihr Gefährt ohne Gefahr, wenn auch nicht ohne Anstrengung, auffinden.
Jeder nahm seinen Platz wieder ein. Man fuhr weiter und die Nacht ging nun ruhig dahin. Van Mitten aber bewahrte eine lebhafte Erinnerung an dieses Schauspiel. Er wäre gewiß nicht erstaunter gewesen, wenn der Zufall ihn zu der Zeit nach gewissen Gegenden Neuseelands verschlagen hätte, wo sich die auf den Terrassen von dessen eruptiven Hügeln gelegenen Quellen entflammen.
Am folgenden Tage, dem 6. September, gelangte die Chaise achtzehn Lieues von Taman, nachdem sie die Bai von Kisiltasch umkreist, in das Städtchen Anapa und hielt am Abend gegen acht Uhr in dem Städtchen Rajewskaja, an der Grenze des Kaukasusgebiets an.
Fußnoten
1 Eine Kopeke ist eine Kupfermünze im ungefähren Werthe von 2 Kreuzer = 31/4 Pfennig.
Sechsechzehntes Capitel.
Worin es sich um die ausgezeichneten des Tabaks von Persien und von Kleinasien handelt.
Der Kaukasus ist ein Theil Südrußlands, aus hohen Bergen und ungeheuren Plateaus bestehend, dessen orographisches System sich ziemlich genau von Westen nach Osten entwickelt und eine Länge von dreihundertfünfzig Kilometern einnimmt. Im Norden liegt das Gebiet der Don’schen Kosaken, das Gouvernement von Stavropol mit den Steppen der Kalmüken und der nomadischen Nogaïs; südlich liegen die Gouvernements von Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, von Koutaïs, von Baku, von Elisabethpol und Frivan. Ferner die Provinzen Mingrelien, Imeretien, Abchasien und Gurial. Im Westen des Kaukasus dehnt sich das Schwarze Meer, im Osten desselben der Kaspisee aus.
Das ganze südlich der Hauptkette des Kaukasus gelegene Gebiet wird auch Transkaukasien genannt und hat keine andern Grenzen, als die der Türkei und Persiens, und zwar beim Berge Ararat, demselben, auf dem nach der Bibel die Arche Noah nach der Sintfluth gelandet sein soll.
Zahlreiche Stämme bewohnen oder durchstreifen dieses Gebiet. Sie gehören dem kaztewelischen, armenischen, tscherkessischen, tschetschinischen und lesghischen Stamme an. Im Norden siedeln Kalmüken, Nogaïs und Tataren mongolischer Abkunft; im Süden Tataren türkischer Race, Kurden und Kosaken.
Wenn man in diesen Dingen anerkannten Gelehrten Glauben schenken darf, so wäre die weiße
Weitere Kostenlose Bücher