Keraban Der Starrkopf
sparen.
Das Unterkommen hier erwies sich als mittelmäßig, an Lebensmitteln fehlte es dagegen nicht. Hierüber hatte sich also Niemand zu beklagen.
Charakteristisch erschien nur, daß der Wirth, sei es aus Mißtrauen oder in Folge der Landessitte, Alles, je nachdem es verzehrt wurde, bezahlt haben wollte.
So brachte er zum Beispiel Brod herein.
»Macht zehn Kopeken!« 1 sagte er.
Ahmet mußte ihm zehn Kopeken aushändigen.
Als dann Eier aufgetragen worden waren, rief er:
»Macht vierundzwanzig Kopeken!«
Und Ahmet mußte die verlangten vierundzwanzig Kopeken bezahlen.
So ging’s für den Kwas, ebenso für den Braten, für das Salz, ja sogar für das Salz auf dem Tische.
Ahmet konnte nichts dagegen ausrichten.
Nun sollte aber auch für das Tischzeug bis zu den Servietten, bis auf die Sitze besonders und im Voraus bezahlt werden, sogar Messer, Gläser, Löffel, Gabeln und Teller – Alles kostete extra.
Begreiflicher Weise brachte das den Seigneur Keraban bald in die Hitze, so daß er, um dem Feilschen ein Ende zu machen, gleich alle zum Essen nothwendigen Utensilien selbst kaufte, natürlich mit ziemlich lauten Verwünschungen, welche der Gastwirth aber mit einem Gleichmuth hinnahm, der sogar Van Mitten alle Ehre gemacht hätte.
Nach vollendeter Mahlzeit trat Keraban die Gegenstände dem Wirthe wieder ab, der sie mit fünfzig Percent Verlust annahm.
»S’ist doch ein wahres Glück, daß er uns nicht auch noch das Verdauen bezahlen läßt! sagte er. Das ist ein Kerl! Wahrlich, er paßte zum Finanzminister des ottomanischen Reiches. Er würde auf jeden Ruderschlag der Kajiks auf dem Bosporus eine besondere Steuer legen.«
Alles in Allem hatte die Gesellschaft doch ziemlich gut zu Abend gegessen, und das, meinte Bruno, wäre ja die Hauptsache. Darauf brach man auf, da es schon Nacht, eine dunkle mondlose Nacht geworden war.
Es machte einen eigenthümlichen, doch nicht jeden Reizes entbehrenden Eindruck, sich im flotten Trabe in finstrer Nacht dahingezogen zu fühlen, mitten in tiefer Dunkelheit durch ein unbekanntes Land, wo die Dörfer sehr weit von einander liegen und die seltenen Farmen in der Steppe weit zerstreut erscheinen.
Das Schellengeklingel der Pferde, ihr regelmäßiger Hufschlag auf dem Boden, das Knirschen der Räder in sandigem Lande, ihr Stoßen durch die, vom Regen oft noch vergrößerten Geleise, das Klatschen der Peitsche des Kutschers, der Schein der Laternen, der sich bei ebener Straße verliert oder sich an Bäumen, an einzelnen Steinen, an den Wegweisern auf dem Damme der Straße bricht, alles das bildet ein Gemisch verschiedener Geräusche und flüchtiger Bilder, gegen das nur wenige Reisende unempfindlich sind. Man hört sie, diese Geräusche, man sieht sie, diese Bilder, womöglich in einem Halbschlaf, der ihrer Erscheinung noch einen besonderen phantastischen Beigeschmack verleiht.
Der Seigneur Keraban und seine Gefährten konnten sich dieser Empfindung nicht erwehren, deren Intensität gelegentlich ziemlich groß ist. Durch die Vorderscheiben des Wagens betrachteten sie mit halbgeschlossenen Augen die langen Schatten des Gespanns, welche launenhaft und immer in Bewegung vor ihnen auf der spärlich beleuchteten Straße dahinschwebten.
Es mochte gegen elf Uhr Abends sein, als ein eigenthümliches Geräusch sie aus ihren Träumereien riß. Es war eine Art Pfeifen, vergleichbar dem des Selterswassers, wenn die Flasche geöffnet wird, nur zehnmal stärker, man hätte eher sagen können, daß irgend ein Kessel den gespannten Dampf durch das Ablaßrohr entleerte.
Die Pferde wurden angehalten. Der Kutscher hatte Mühe, die Pferde zu bändigen. Ahmet ließ, um zu erfahren was vorliege, sofort die Fenster herab und beugte sich nach außen.
»Was giebt es denn? Warum fahren wir nicht weiter? fragte er. Woher kommt jenes Geräusch?
– Das sind die Schlammvulcane, erklärte der Kutscher.
– Schlammvulcane? rief Keraban. Wer hat je schon von Schlammvulcanen ein Wort gehört? Wahrhaftig, das ist eine nette Straße, auf die Du uns geführt hast, Neffe Ahmet.
– Seigneur Keraban, Sie und ihre Begleiter würden besser thun, hier auszusteigen, sagte der Kutscher.
– Aussteigen! Aussteigen!
– Ja!… Ich ersuche Sie, dem Wagen zu Fuß zu folgen, so lange wir uns in dieser Gegend befinden, denn ich kann nicht für die Pferde stehen, sie könnten hier durchgehen wollen.
– Nun denn, meinte Ahmet, der Mann hat Recht. Steigen wir aus.
– Es handelt sich um fünf bis sechs Werst,
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