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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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sagte Michel Baum befriedigt, »in fünf Minuten haben wir es geschafft, Freund Diaz.
    Diese Minuten will ich ausnützen, um dir zu erklären, weshalb wir die spanische Gräfin suchen und wenn möglich finden müssen.«
    »Ich weiß es ohnedies, Senor Doktor«, schmunzelte Ojo.
    Michel sah ihn erstaunt an.
    »Du weißt es? Das ist mehr, als ich vermutete. Dann hat also die Zeit unseres Zusammenseins doch schon ihre Früchte getragen. Deine Denkweise hat sich geändert.«
    Ojo sah ein wenig unglücklich drein. Er konnte sich nicht recht vorstellen, weshalb sich gleich seine ganze Denkweise geändert haben sollte, wenn er mit offenen Augen durch die Welt ritt. »Das alles ist doch ganz einfach, Senor Doktor, Ihr liebt die tolle Gräfin. Deshalb wollt Ihr sie retten.«
    Michel schaute ihn betroffen an. Dann lachte er laut auf.
    »Du machst dir alles sehr einfach, Diaz. Vielleicht ist es in deinen Augen logisch, daß ein Mann Tausende von Kilometern durch einen fremden Kontinent reitet, um die Frau zu befreien, die er liebt. Aber es gibt auch noch andere Beweggründe, schwerer wiegende.« »Schwerer wiegende als die Liebe?« lachte Ojo ungläubig.
    »Ja, ich würde jeden Menschen vor einem Unglück zu retten versuchen, wenn es irgendwie in meiner Macht stünde. Man tut so etwas überhaupt nicht, weil man einen Grund im herkömmlichen Sinne hätte, sondern weil es eine innere Stimme gibt, die einem befiehlt, so zu handeln, wie wir es jetzt tun. Jeder Mensch hat ein Recht auf Freiheit. Was die Menschenhändler mit Marina tun, ist nach abendländischem Denken unmenschlich. Freilich mißt man im Orient mit anderen Maßen. Solange sie es mit ihren eigenen Frauen und Mädchen tun, tut es nicht weh; denn diese sind an solche Methoden gewöhnt. Aber ein so freiheitsdürstender Mensch wie Marina muß körperlich und seelisch in dieser goldenen Gefangenschaft zerbrechen. Ich werde nie dulden, daß ein Mensch zugrunde geht, wenn es in meiner Macht steht, ihn davor zu bewahren.«
    Ojo schwieg für einen Moment. Dann meinte er:
    »Hat auch sie immer so gehandelt? War sie nicht eine Teufelin? Hat sie nicht viele ins Unglück gebracht?«
    »Das will nicht besagen, daß wir sie nun im Unglück steckenlassen dürfen.« »Warum nicht?«
    »Wir sind nicht Richter über die Taten anderer. Die Menschlichkeit gebietet, niemandem seine Hilfe zu versagen, und hätte er vorher auch noch so schlecht gehandelt. Ist es nicht denkbar, daß er sich später bessert, daß er im Lauf seiner eigenen Entwicklung die Schlacken abwirft und doch noch ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft wird?«
    »Hm«, brummte Ojo nur. Er dachte an den langen Weg, den sie noch vor sich hatten, und zog unwillkürlich Vergleiche mit dem herrlichen Aufenthalt in der Kneipe des spanischen Wirtes in Fes.
    »Sehr begeistert scheinst du diesmal nicht mit mir zu gehen?!«
    »Doch, Senor Doktor«, meinte Ojo eifrig, »macht Euch nichts draus, wenn ich manchmal ein wenig brummig bin. Ich verdanke Euch so vieles. An Eurer Seite ist es mir klar geworden, daß es viele Dinge gibt, die ich von selbst nie erkannt oder gefunden hätte. Ich gehe mit Euch bis in die Hölle, wenn es sein muß.«
    »Vielleicht sind wir ihr näher, als wir jetzt ahnen«, erwiderte der Pfeifer ernst. »Wenn wir jetzt in die Stadt kommen, dann wollen wir wieder nach unserem alten Rezept verfahren, amigo. Ich bin ein Araber, und du bist stumm und taub. Unsere Barte sind lang genug geworden, um uns echt erscheinen zu lassen.«
    »Bueno, Senor Doktor, ich klappe jetzt meinen Mund zu und tue ihn erst wieder auf, wenn Ihr es für richtig haltet.« Michel nickte lachend.

48
    Sie hatten die ersten Häuser mit den niedrigen, kuppelartigen Dächern erreicht. Im Innern erwies sich die Stadt als ein Labyrinth von engen, schmutzigen Gassen. Es gab viele kleine Moscheen, und zahlreich waren die Basare, in denen lebhaft gehandelt und gefeilscht wurde. Gekrönt wurde das Häusermeer mit seinem bunten Treiben von dem Palast des Bej, einem imposanten, weitläufigen Bau im maurischen Stil.
    »Da sind wir nun«, sagte Michel Baum, während er vor einem Basar vom Pferd stieg. »Kaufen wir uns erst einmal etwas zu essen, etwas Handfestes. Ich bin die ewigen Datteln leid.« Ojo ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit einem Satz stand er auf der Straße. Aus einem der Tausenden von Läden, die alle vorn offen waren, drang der würzige Duft von in Olivenöl gebackenen Pfannkuchen. Eigentlich roch mehr oder weniger alles

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