Kerker und Ketten
Mustapha weiter. »Ja.«
»Auch die der Spanier, die Allah verderben möge?« »Ich bin ein Spanier, wenn du nichts dagegen hast.«
»Zügle deine Zunge, verdammter Giaur«, wurde Mustapha böse, »sonst könnte mich mein Entschluß gereuen, und ich lasse dich zu Tode prügeln und den Fischen zum Fraß vorwerfen.« »Pah«, erwiderte der Unerschrockene, »das kann mir egal sein. Nur haben die Fische nichts davon, daß ich mehrere Sprachen spreche.«
Mustapha schüttelte den Kopf. Er war nicht dumm genug, sich von den frechen Reden aus dem Konzept bringen zu lassen. Mochte der alte Kerl schimpfen, soviel er wollte, ihn, Mustapha, belustigte das nur. Seine Gedanken beschäftigten sich im Augenblick vielmehr mit der Möglichkeit, sich mit Hilfe des Greises nun endlich mit der rothaarigen Hexe verständigen zu können.
»Wie heißt du, Alter?«
»Du kannst meinen Namen doch nicht aussprechen. Nenne mich einfach Effendi [19] . Das genügt.« »Effendi?« schnaufte Mustapha, »hat dir Allah den Verstand verwirrt? Bist du plötzlich wahnsinnig geworden, du stinkige spanische Wildsau?!« Der »Effendi« zuckte gleichmütig die Achseln.
»Wenn du glaubst, daß es deiner Würde oder deinem dicken Bauch Abbruch tut, so kannst du mich auch mit einem Wort aus meiner Muttersprache nennen.«
»Wie ist das Wort? Sage es schnell, damit ich nicht noch länger an dein freches Verlangen denken muß.«
In den Augen des Alten lichterte es spöttisch. .
»Nenne mich ganz einfach Don Hidalgo [20] . Ich bin's zufrieden.«
»Don Hidalgo«, wiederholte der ahnungslose Mustapha. »Don Hidalgo, ja, das kann man aussprechen. Komm jetzt mit mir, Don Hidalgo, du mußt mir übersetzen, was dir eine Sklavin alles sagen wird, die ich schon länger bei mir habe, mit der ich mich aber bisher noch nicht verständigen konnte.«
»Ja. Aber willst du mir nicht zuerst sagen, wie ich dich nennen soll, Dicker?«
Der Dicke ignorierte die Frechheit, da er es eilig hatte, zu Marina zu gelangen, und sagte nur kurz:
»Nenne mich Sayd, wie alle meine Untergebenen.«
»Fällt mir nicht ein«, sagte Don Hidalgo. »Wenn du mich nicht Effendi nennst, so nenne ich dich auch nicht Sayd. Wie ist dein Name?«
»Mustapha«, platzte der Sklavenhändler heraus, ohne es zu wollen, verbesserte sich dann aber rasch und fügte hinzu, »Mustapha Bej 1 .«
»Ah, bleiben wir lieber einfach bei Mustapha. Das ist lang genug. Den Bej schenke ich mir.« »Wie kannst du es wagen, dir meinen Titel schenken zu wollen, du ... du ... du Don Hidalgo!« Obwohl Mustapha sich nun doch langsam über den Aufsässigen zu ärgern begann, ging er ohne weitere Erwiderung auf die Kajütentreppe zu. Abbas, der während des Wortwechsels der beiden immer mehr in Erstaunen geraten war, folgte seinem Herrn und bedeutete dem Alten mit einer Geste, desgleichen zu tun.
47
Sie waren manchen Tag und manche Nacht geritten. Algier hatten sie umgangen. Sie wollten nicht noch einmal mit Baba Ali und seinen Janitscharen zusammentreffen. Der Regen hatte aufgehört, und der Sommer war fast ohne Übergang hereingebrochen. Als sie den Dschebel Naali überquert hatten, standen sie an einem strahlenden Maitag vor den Ruinen des Karthagischen Aquädukts.
»Es ist furchtbar heiß«, stöhnte Diaz Ojo und fuhr sich mit dem braunen Handrücken über die schweißverklebte Stirn.
»Keine Müdigkeit aufkommen lassen«, sagte der Pfeifer und schlug seinem Begleiter von Pferd zu Pferde auf die Schulter.
»Glaubt Ihr denn, Senor Doktor, daß Ihr das wild gewordene Weib wirklich in Tunis finden werdet?«
»Glauben wäre zu viel gesagt, Diaz, aber ich hoffe, daß wir wenigstens einen Fingerzeig bekommen, wo wir sie suchen können. Der Hadschi sprach davon, sie selbst glaube, daß man sie nach Istanbul bringen werde.«
»Istanbul«, Ojo seufzte schwer, »Istanbul, also Konstantinopel, wie weit mag das noch sein?« »Mehrere tausend Kilometer, amigo.«
»Por Dios, mehrere tausend Kilometer! Da reiten wir ja monatelang! Und bis wir hinkommen, ist sie vielleicht schon weiterverkauft. Und so viel Mühe wegen einer solchen Frau!« »Reiten wir weiter«, sagte Michel Baum und drückte seinem Pferd die Hacken in die Weichen. Dort, wo der Karthagische Aquädukt seine tiefste Schleife nach Süden zog, gab eine Lichtung den Blick auf Tunis frei. Über den vielen weißen Häusern glänzte die Kuppel der im Jahre 1223 erbauten Moschee des Ölbaums, Dschana el-Situm, die die Gräber der Landesherrscher beherbergt.
»So«,
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