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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Man war in Feindesland und mußte stets irgendeiner Feindseligkeit gewärtig sein. Der Ankömmling war aber Steve Hawbury.
    »Was ist los?« fragte Michel mit heimlicher Unruhe, »weshalb reitet Ihr Euer Tier fast zuschanden?«
    Steve fand nicht gleich Worte. Als er sich einen Augenblick verschnauft hatte, berichtete er: »Das Schiff ist weg, Mr. Baum. Im Hohlweg liegen zwei Leichen. Der eine Tote ist Guillermo. Den anderen kenne ich nicht dem Namen nach; aber ich habe ihn auf dem Schiff gesehen. Ich habe sogar einmal fast mit ihm gekämpft — damals, als ich von der »Trueno«übernommen wurde. Soweit ich unterrichtet bin, gehörten beide Tote zu den zuverlässigsten, der Kapitänin treu ergebenen Leuten.«
    Jetzt wußte Michel, warum sein Herz in böser Vorahnung heftiger geklopft hatte. Nach zehn Minuten erreichten sie die Stelle, an der Guillermo und Hernan lagen. Michel suchte die ganze Gegend Stück für Stück ab, um irgendwelche Spuren zu finden, die ihm hätten verraten können, was sich hier abgespielt hatte.
    Nach verhältnismäßig kurzer Zeit erreichten sie den Lagerplatz, auf dem gestern noch die Zelte gestanden hatten. Die Löcher, die von den Pflöcken herrührten, waren deutlich zu erkennen. Abfälle und verlorene Kleinigkeiten verrieten, daß hier vor kurzem noch viele Menschen gelagert hatten.
    »Kein Zweifel«, sagte Michel finster, »hier lag die Mannschaft der »Trueno«. Ich bin der festen Meinung, daß das Schiff ohne uns in See gegangen ist.«
    Betretenes Schweigen lastete über den vier Menschen. Michel sah sinnend hinaus auf die schäumenden Wogen des Mittelmeeres, als wollte er dort seine Gedanken sammeln. »Guillermo tot«, sagte er langsam. »Hernan ebenfalls tot«, fügte Ojo bedächtig hinzu.
    »Ja, aber besonders beschäftigten sich meine Gedanken mit Guillermo. Er war der treueste Gefährte der Gräfin. Ich habe nie einen ergebeneren Menschen gesehen. Und ich traue es Marina nicht zu, daß sie dabei die Hände im Spiel hatte. Ich bin vielmehr davon überzeugt, daß es bei der Ankunft unserer Freunde hier böse Überraschungen gegeben haben muß. Dinge mögen sich ereignet haben, mit denen vorher niemand gerechnet hat. Was meinst du, Ojo, könnte es nicht sein, daß sich Porquez seines Schiffes wieder bemächtigt hat, daß man Marina einfach als Gefangene behandelte, daß man praktisch vor uns geflohen ist, um uns keine Rechenschaft geben zu müssen?«
    Ojo schwieg lange. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es so einfach war, wieder die Führung des Schiffes an sich zu reißen. Und dann bedenkt, Senor Baum, traut Ihr dem kleinen Alfonso Jardin zu, daß er an uns zum Verräter werden konnte? Er weiß doch, in welch einer Situation wir uns befinden, wenn wir nicht auf das Schiff entkommen können. Wir müssen jetzt gewärtig sein, daß uns die Janitscharen jagen, solange wir noch auf ihrem Gebiet sind. Baba Ali wird sich nicht so leichten Kaufes mit dem Verlust Eures Gewehrs abfinden.«
    »Ja — Jardin — ich hätte es ihm eigentlich nicht zugetraut. Ich weiß nicht recht. Ich möchte bei ihm nicht an seine Treulosigkeit glauben, aber es muß doch so gewesen sein.«
    Isolde hatte ihrem Bruder das Gespräch übersetzt. »Well«, meinte Steve mit verkniffenem Mund, »wie soll es weitergehen? Wir können ja nicht ewig hier bleiben und dem Schiff nachtrauern.
    Wir müssen irgend etwas zu unserer Rettung unternehmen. Meint Ihr nicht?«
    Michel sah ihn lange an. Dann blieben seine Blicke auf Isolde haften.
    »Ihr könnt nicht weiterreiten, nicht wahr, Miß Haw-bury? Ich möchte es Euch wenigstens nicht zumuten. Wir lagern also bis morgen früh hier in der Nähe. Kommt, suchen wir einen passenden Platz.« —
    Als sie am nächsten Morgen erwachten, hatte sich bei allen quälender Hunger eingestellt. Michel verfügte noch über ein paar Handvoll getrockneter Datteln. In der Nähe ihres Lagerplatzes hüpfte mit fröhlichem Plätschern ein klarer Quell aus einem Felsen.
    Die Sonne schien bald brennend hernieder. Ojo aber blickte besorgt in den Himmel und meinte: »Trügerisches Wetter. Wir haben jetzt November. Es sollte mich wundern, wenn wir nicht bald einen schönen Dauerregen bekämen.«
    »Gestern abend goß es bereits in Strömen. Was soll werden, wenn wir kein Dach über dem Kopf haben? Ich bin so verzweifelt«, stöhnte Isolde. »Warum haben uns Eure Freunde im Stich gelassen, Senor Baum?«
    »Ich bin kein Hellseher, Miss«, meinte dieser. »Ich habe die ganze Nacht

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