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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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möglichstes getan, um die fünftausend Piaster zusammenzubringen. Hier sind sie.«
    Er warf ihm einen gefüllten Beutel in den Schoß. Michel nahm sich diesmal nicht die Zeit, die Goldstücke zu zählen. Er hatte es jetzt sehr eilig und stand auf.
    »Diesmal werden deine Schergen keinen Erfolg haben, wenn sie mich nochmals verfolgen, Hamid, merke dir das gut. Betrug und Verbrechen machen sich nicht bezahlt.« Hamid zog die Schultern in die Höhe und sagte in weinerlichem Ton:
    »Ich bin nun einmal ein Mensch, der sehr am Gelde hängt. Allah verzeihe mir meine übergroße Sparfreudigkeit. Hast du auch inzwischen meinen Sohn nicht behext?«
    »Nein«, lachte der Pfeifer. »Glaubst du denn wirklich an Hexerei? Hast du dir wirklich gedacht, ich könnte jemanden durch Zauber krank machen?«
    »Du kannst es nicht?« heulte Hamid auf. »Nein, du großer Kaufmann, es gibt keine Zauberer, weder unter den Gläubigen noch unter den Ungläubigen.«
    »Du Gauner, du Hund, du Stinktier«, schrie Hamid empört und war plötzlich zur Tür hinaus. Michel rannte hinterher. Er bereute mit einemmal, daß er sich durch Voreiligkeit selbst seine Macht genommen hatte.
    Als er die Tür aufstieß, starrten ihm mindestens zehn Gewehre entgegen, und eine Stimme sagte in spanischer Sprache:
    »Macht keine Bewegung, Senor, wir haben Befehl, sofort zu schießen.« Michel stand wie erstarrt.
    »Gebt Eure Waffen ab, Senor, und den Beutel, den Ihr dem ehrenwerten Kaufmann Abd el Hamid gestohlen habt.«
    »Ich habe nicht gestohlen. Das Geld ist mein rechtmäßiges Eigentum.« »Nada, hombre, macht keine langen Geschichten. Wir handeln auf direkten Befehl des Gouverneurs. Es nützt Euch also gar nichts, wenn Ihr Eure Tat leugnen wollt. Adelante! Kommt mit!«
    Gegen zehn auf ihn gerichtete Gewehre war auch der Pfeifer machtlos. Zähneknirschend gab er seine Waffe, sein wunderbares Gewehr, ab und warf Hamid den Beutel vor die Füße. »Wir sprechen uns noch!« rief er drohend. »Dann kommst du nicht so billig davon.« Hamid lachte hämisch.
    »Drohe mir nur. Ich störe mich nicht daran; denn spätestens morgen abend hängt dein Kadaver am Galgen.«
    Dem Sergeanten, der die Wachabteilung führte, war es peinlich, daß er zuhören mußte, wie ein Araber einen Weißen beschimpfte. Er hatte zwar den Befehl, den Pfeifer gefangenzunehmen; aber er war ein ehrenwerter Mann, der Pöbeleien und Beschimpfungen jeder Art ablehnte. »Kommt, Senor«, sagte er höflich, »es tut mir leid, daß ich Euch verhaften mußte, aber Befehl ist Befehl.«
    »Schon gut«, meinte Michel und ging mit den Soldaten, die ihn in ihre Mitte genommen hatten, davon. Die beiden letzten Musketiere wisperten miteinanderwährend des ganzen Weges. Der Gegenstand ihrer leisen Rede war das Gewehr des Verhafteten. Sie hatten eine solche Konstruktion noch nicht gesehen.
    Endlich schienen sie sich geeinigt zu haben. Sie riefen den Sergeanten, der an der Spitze des kleinen Zuges marschierte. Er kam nach hinten und fragte: »Was gibt es?« »Seht Euch dieses Gewehr einmal an.« Der Sprecher reichte es ihm. Der Sergeant betrachtete es im Schein des Mondes aufmerksam.
    »Es hat sechs Läufe«, sagte er kopfschüttelnd. »Hat einer von Euch schon einmal so etwas gesehen?«
    »No, Sergeant.«
    »Paßt auf, daß ihr nichts daran verbiegt.« Er gab es ihnen zurück. »Wir wollen es Don Hernando zeigen.«
    Es sieht fast so aus, als sollte ich an der Waffe nie Freude haben, dachte Michel, der das Gespräch mit angehört hatte. Jetzt werden sie mich nicht nur Hamids wegen festhalten, sondern auch noch wissen wollen, was es für eine Bewandtnis mit dem Gewehr hat.
    Als sie am Haus des Gouverneurs ankamen, ließ der Sergeant seine Leute warten. Er ging, um den Vollzug der Verhaftung dem Sekretär zu melden. Aber der gähnte nur und sagte:
    »Don Hernando ist bereits wieder eingeschlafen. Wir können ihn jetzt nicht belästigen. Erinnert mich morgen früh daran, daß ich ihm Bescheid gebe. Buenas noches.« Der Sergeant grüßte und ging.

33
    Das Gefängnis, in das man den verhafteten Michel brachte, hatte keine Einzelzellen. Es war ein in einen Felsen geschlagenes, großes rohes Loch, das nach draußen mit einem schweren Eisengitter abgeschlossen war. Nachtkühle und Tageshitze hatten ungehindert Zutritt. Es gab weder Pritschen noch Strohsäcke. Wenn man ruhen wollte, mußte man sich auf den nackten Felsboden legen.
    Die Posten vor dem Gitter gingen teilnahmslos auf und ab, Minute um Minute, Stunde um Stunde,

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