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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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dahinter. Nun mochten sie kommen. Die hier konnten nicht mehr. Und wenn die anderen von draußen hereinzukommen versuchten, würde er einem nach dem anderen einen Schuß ins Bein jagen.
    Er wartete. Das Wimmern und Stöhnen der Verwundeten erfüllte den Raum. Sie taten ihm leid; denn sie waren schließlich nicht die Schuldigen. Sie führten lediglich die Befehle ihrer Herren aus und konnten für die Zustände und die Behandlung im Gefängnis nicht verantwortlich gemacht werden.
    Draußen erschollen Kommandos. Michel wunderte sich, daß darin kein Wort von dem erwarteten Sturm auf das Haus zu hören war. Erst nach einigen weiteren Sekunden wurde ihm klar, daß die Wächter gar nicht damit rechnen konnten, daß er allein sechs Soldaten außer Gefecht gesetzt hatte. Sie wähnten ihn sicherlich wie ein Sieb durchlöchert am Boden liegen. Sechs Schüsse hatten sie vernommen. Und sechs Schüsse sollten für einen ausgemergelten Gefangenen genügen.
    Zwischen Michels Standort und der Tür lagen die sich am Boden krümmenden Gestalten. Er erhob sich und sprang über die Betten, immer mit dem Rücken zur Wand. Der Sergeant fluchte und schimpfte. Die Wut in ihm schien größer zu sein als der Schmerz, den ihm die Wunde verursachte.
    Der Pfeifer hatte jetzt die Tür erreicht. Er sah gerade noch, wie sich das Gittertor hinter den anderen Gefangenen schloß, die die Situation nicht zu nutzen verstanden hatten. Die Wachen schienen es eilig zu haben, unter die Wasserleitung zu kommen, was durchaus verständlich war.
    Michel rannte bis zur Kotgrube, umging sie und bezog hinter einem in der Nähe stehenden Gebüsch Posten. Dann überlegte er. Sein Gewehr hatte er wieder. Das Pferd befand sich wahrscheinlich bei Abd el Hamid im Stall, wo er es sich holen mußte. Geld brauchte er auch. Deshalb war er schließlich das ganze Risiko eingegangen. Andererseits sagte er sich, daß auch die anderen solche Erwägungen anstellen und eben darum Hamids Haus unter Bewachung halten würden. Jetzt am hellichten Tage konnte er es nicht wagen, sich sein Eigentum wiederzuholen. Auf alle Fälle hatte er die Freiheit und sein kostbares Gewehr wieder... Da fiel ihm eine andere Möglichkeit ein, die zwar nicht weniger gefährlich, dafür aber um so erfolgversprechender war.

35
    Don Hernando de Pasteras y Movero wurde durch lautes Klopfen an der Tür aus seiner Siesta hochgeschreckt.
    »Que hay?« fragte er wütend; denn er liebte seine Mittagsruhe über alles und hatte Befehl gegeben, ihn nur zu stören, wenn ein Weltuntergang bevorstünde.
    »Es ist etwas Furchtbares geschehen, Don Hernando«, antwortete mit aufgeregter Stimme der Sekretär. »Kann ich hereinkommen?«
    »Si, adelante«, stöhnte der Gouverneur und richtete sich von seinem Lager auf, dachte aber gar nicht daran, die Unterbrechung seines Schlafes als etwas Unabänderliches hinzunehmen.Der Sekretär hatte seine ewige Müdigkeit abgeschüttelt. Mit hastigen Worten berichtete er von den Vorkommnissen im »Staatsgefängnis«. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, daß der Ausbrecher es fertig bekommen hatte, sechs Soldaten seiner Allerchristlichen Majestät in Sekundenschnelle zu Invaliden und zehn weitere zumindest für die Dauer eines halben Tages kampfunfähig zu machen. Mit gewählten Worten gab er die Koteimerschlacht wieder, wobei er den Inhalt der als Waffe benutzten Kübel mit vornehmen Worten zu umschreiben suchte. Der Gouverneur mochte dieses Vorkommnis doch für wichtig genug halten; denn er entschloß sich, ganz aufzustehen.
    »Und man hat diesen Verbrecher nicht mehr erwischen können?«
    »No, Don Hernando, er ist verschwunden, spurlos verschwunden. Die ganze Kompanie der Garnison ist seit einer halben Stunde auf den Beinen, um ihn zu fangen. Aber es liegt noch keine Meldung vor, die besagen würde, daß man ihn auch nur an irgendeiner bestimmten Stelle vermuten könnte.«
    »Wer ist der Kerl eigentlich, der das gewagt hat?«
    »Derjenige, um dessen Verhaftung Euer Freund Abd el Hamid in der Neujahrsnacht ersuchte.« »Hamid. Bueno, ich erinnere mich schwach daran. Gab ich den Befehl zu dieser Verhaftung?« »Si, Don Hernando. Ihr befahlt seine sofortige Arretierung durch die Soldaten der Freiwache.« »So, so. Weshalb eigentlich? Es muß doch ein Grund vorgelegen haben.« »Das kann ich Euch nicht sagen; denn Ihr verhandeltet mit Hamid unter vier Augen.«
    »Hm.--Schafft mir Hamid zur Stelle. Ich muß wissen, weshalb ich den Mann einsperren ließ. Schöne Schweinerei! Wenn die

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